Den Liederzyklus Winterreise schrieb Franz Schubert 1827 auf Texte des in Dessau geborenen Dichters Wilhelm Müller. Der Zuhörer begleitet einen Wanderer auf seinem Weg durch die winterliche Natur, in der sich das Seelenleben des Reisenden widerspiegelt. Er nimmt teil an dessen freundlichen Erinnerungen an Vergangenes, schaudernd erfährt er aber auch von erlebtem Leid. Schmerz, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Resignation und Todessehnsucht – das sind die dominierenden Empfindungen.
Die ersten Aufführungen müssen eher Schrecken als Wohlgefallen ausgelöst haben. »Wird es möglich sein, die ästhetische Routine unserer Klassiker-Rezeption, welche solche Erlebnisse fast unmöglich gemacht hat, zu durchbrechen, um eben diese Urimpulse, diese existentielle Wucht des Originals neu zu erleben?« Diese Frage stellte sich der Komponist und Dirigent Hans Zender (1936-2019), als er 1993 seine »komponierte Interpretation« von Schuberts Winterreise vorlegte, die zu einem nachhaltigen Welterfolg wurde und nun erstmals auch in Dessau zu hören sein wird.
Das Credo des vor wenigen Tagen verstorbenen Zender lautete: »Der Künstler hat einen gesellschaftlichen Auftrag: Wir müssen etwas in unserem modernen Bewusstsein wieder anregen, was unterentwickelt und ins Abseits geraten ist – nämlich das, was wir mit einem alten Begriff die ,geistige Ebene‘ der Kunst nennen würden.« In Winterreise verwandelt Zender den Klavierklang des Originals mit einem kleinen, unorthodox besetzten Orchester in eine orchestrale Vielfarbigkeit. An einigen Stellen fügt er der Schubertschen Musik frei erfundene Klänge (Vorspiele, Nachspiele, Zwischenspiele oder simultane »Zuspiele«) hinzu. Außerdem schickt er die beteiligten Musiker selbst auf Wanderschaft, die Klänge »reisen« durch den Raum der historischen Bauhausbühne, ja verlassen ihn sogar: »Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus«.
Musikalische Leitung Markus L. Frank
Tenor Robert Sellier
Lichtdesign Egbert Mittelstädt
Anhaltische Philharmonie Dessau
Eine Kooperation mit der Stiftung Bauhaus Dessau.
Do, 28.11.2019 — 20 Uhr
Bauhaus
Fr, 29.11.2019 — 20 Uhr
Bauhaus