Jede Enttäuschung, jeder Verrat ebenso. Laut dem Mythos der schaumgeborenen Undine, die, um eine Seele zu erlangen, aus dem Wasser kommt, bleiben nach dem Verrat nur der Verrätermord oder die Selbstauflösung. Doch was, wenn uns diese Optionen nicht mehr genügen?
Ingeborg Bachmann entwirft in ihrer poetisch verschlungenen Erzählung von 1961 nicht nur die Geschichte eines gescheiterten Liebespaares. Undine und Hans sind ebenso zwei Extreme in einem gemeinsamen Körper. Aufgespalten und abgetrennt voneinander, sich uneins. Ihr Aufeinanderzu, ihr Verschmelzen ist Utopie – als Glitch, als fluide Störung im binären System – mit klarer Position: gegen das Patriarchat, gegen feste Rollenzuschreibungen, gegen ein kapitalistisches System der konstanten Produktion und der biologischen Reproduktion. Jede Utopie muss scheitern, und doch versuchen sie es immer wieder. Ein letztes Aufbäumen vor dem Gang ins Wasser. Undine fließt. Undine zerfließt. Undine geht.
In der ersten Inszenierung der Regisseurin Christina Deinsberger an der Schaubühne begegnen Carolin Haupt und Renato Schuch Ingeborg Bachmanns Text und dem Mythos der Undine körperlich und choreographisch. Zu den Kompositionen des Jazzmusikers Bertram Burkert wagen sie den Grenzgang. Nicht den Gang an der Grenze entlang, sondern durch die Grenze hindurch, durch die Membran, die Ulla Willis über die Bühne spannt – mal permeabel, mal undurchdringlich.
In einer Fassung von Marcus Peter Tesch und dem Team
Regie: Christina Deinsberger
Bühne: Ulla Willis
Kostüme: Vanessa Sampaio Borgmann
Musik: Bertram Burkert
Dramaturgie: Angelika Schmidt, Marcus Peter Tesch
Licht: Diana Swieca
Mit: Carolin Haupt, Renato Schuch
14.10.2022, 20.30
15.10.2022, 19.30
16.10.2022, 20.00
18.10.2022, 19.30
19.10.2022, 19.30
21.10.2022, 19.30
22.10.2022, 19.30
23.10.2022, 19.30