Die neue Rheingold-Inszenierung an der Deutschen Oper am Rhein von Dietrich W. Hilsdorf beginnt nicht mit Wagner, sondern mit einem Prolog, in dem die erste Zeile von Heinrich Heines Gedicht "Loreley" zitiert wird. "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten..." Das Wort "Es" wird wiederholt und bildet den Übergang zur Musik, die mit Es-Dur beginnt. Loge, der diese Zeile vorträgt, entpuppt sich im Laufe des Geschehens als Conférencier und Strippenzieher und ist daher folgerichtig die erste Figur, die auftritt.
Die Rheinnixen präsentieren sich als verführerische Halbweltdamen in Bustier und mit Strapsen. Hilsdorf zeigt, dass ihre scheinbar harmlose Neckerei des liebestollen Alberich nicht nur seine Wollust anstachelt, sondern auch beinahe in Gewalt zu eskalieren droht. Sie halten sich für gewitzt, werden aber bald eines Anderen belehrt, als der verschlagene Alberich auf die Liebe verzichtet und sich stattdessen den Rheingoldschatz aneignet. Damit sind die Themen gesetzt: Liebe, Wollust, Habgier.
Nach dem quirligen Auf- und Abgerenne, einer Commedia dell' arte-Szenengestaltung würdig, setzt Hilsdorf eine deutliche Zäsur: Wotan erscheint in Ganzkörperverhüllung, von Fricka im Rollstuhl geschoben. Was das bedeuten soll, darf man sich fragen, weil er nur allzu bald dieses Gefährt hinter sich lässt und sich körperlich als völlig beweglich erweist. Soll hier schon anklingen, dass die Göttergesellschaft aufgrund von Passivität am Ende ist?
Eher hilflos agiert Wotan in der Tat. Der Neubau eines Palastes ist finanziell nicht abgesichert. Auf Anraten Loges hatte er Freia als Pfand den Riesen Fasolt und Fafner versprochen, die als brave Handwerker auftreten und anfangs überaus positiv gezeichnet werden, so dass Freia sich in Fasolt gemäß Stockholm-Syndrom verliebt. Nur wurde bei diesem Handel nicht bedacht, dass Freia die Hüterin der Jugend ist und die Göttergesellschaft nun rapide zu altern beginnt. Wotan begibt sich mit Loge daher in die Unterwelt, um Alberich das Rheingold abzujagen und damit Fereia auszulösen. Hier erklären sich auch die merkwürdigen Riesenpoufs, die die Bühne bevölkern, dienen sie doch als Eingänge in das Nibelungenreich, durch die man sich etwas umständlich zwängen muss, da es nur ein Bühnenbild gibt und der Ortswechsel plausibel gemacht werden muss.
Und so fahren mit lautem Krach Loren durch die Täfelung hinein in das bürgerliche, gediegene Gründerzeitambiente. Die Nibelungen entpuppen sich als ausgebeutete, hart schuftende Arbeiter. Alberich hat durch Mimes Schmiedekunst seine Macht ausgeweitet. Die Drachenverwandlung wird mit großem Getöse à la Jurassic Park vollzogen, während die Froschverwandlung sich im Tischtuch verflüchtigt. Die Ringentwendung nimmt Wotan hier äußerst brutal vor, in dem er Alberich gleich die ganze Hand abhakt. Der Ring ist fortan mit einem Fluch Alberichs behaftet. Wotan gibt auf Anraten Erdas den Ring an die Riesen und wird Zeuge wie sich der Fluch erfüllt.
Götter, Zwerge, Riesen, die scheinbare Märchenwelt transferiert Hilsdorf in den Beginn des Frühkapitalismus, zeigt die Ausbeutung der Arbeiterschaft, die als namenlose Masse den Besitzstand eines degenerierten Bürgertums sichern.
Die Inszenierung ist manchmal etwas zu aufgesetzt, wie z.B. das rosa-farbige Kostüm der Freia, das Spiel mit der roten Perücke der Erda oder auch die bereits genannten Auftritte. Beeindruckend dagegen der choreografierte Aufmarsch der Statisten in goldener Beleuchtung.
Unter der Leitung von Axel Kober musizierten die Düsseldorfer Symphoniker differenziert und eindrucksvoll. Die darstellerische und musikalische Darbietung war durchweg herausragend, das Publikum zeigte sich entsprechend euphorisch.
Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Dietrich W. Hilsdorf
Bühne: Dieter Richter
Kostüme: Renate Schmitzer
Licht: Volker Weinhart
Dramaturgie: Bernhard F. Loges
Wotan: Simon Neal
Donner: Torben Jürgens
Froh: Ovidiu Purcel
Loge: Norbert Ernst
Fricka: Renée Morloc
Freia: Sylvia Hamvasi
Erda: Susan Maclean
Alberich: Michael Kraus
Mime: Cornel Frey
Fasolt: Bogdan Talos
Fafner: Thorsten Grümbel
Woglinde: Anke Krabbe
Wellgunde: Maria Kataeva
Floßhilde: Ramona Zaharia
Düsseldorfer Symphoniker
Premiere Freitag, 23. Juni 2017 im Opernhaus Düsseldorf