Politik braucht eine Seele – diese romantische Überzeugung prägte die grossen Plädoyers für eine demokratische Gesellschaft von Novalis über Walt Whitman bis Thomas Mann. Gegen die Technokratie der Macht, die Abstraktion der Vernunft und die Zerstörung organischer Bindungen formulieren Künstler eine andere Sicht auf Mensch und Natur und entwickeln so ein anderes Menschenbild. Die neue Gesprächsreihe des Schauspielhauses macht sich auf die Suche nach diesen Bildern des «Humanen».
Ob in der Kontroverse über Gentechnologie, in der Auseinandersetzung mit Gewalt, in der Diskussion um das Fremde in unserer Gesellschaft oder im Umgang mit dem Tod – ein künstlerisches Menschenbild kann als Hintergrund dienen, wenn es um Fragen geht wie: Was am Menschen ist unantastbar? Ist der Mensch ein mangelhaftes Wesen, das der Optimierung bedarf? Leben wir in einer posthumanen Zeit, in der der Mensch nicht mehr das Mass aller Dinge ist, oder war dieser nie so mächtig wie heute? Wie kann man von der Würde des Menschen noch sprechen, wie lässt sie sich zeigen?
Fünfmal bis Juni 2006 treffen sich zwei Künstler (Maler, Musiker, Schiftsteller, Architekten, Tänzer, Theaterschaffende, Fotografen) im Schiffbau, um solche Fragen im sonntäglichen Gespräch zu erörtern. Den Auftakt machen der Romancier und Philosoph Pascal Mercier (alias Peter Bieri) und der Regisseur Hans Neuenfels. Es moderiert Elisabeth Bronfen.
Hans Neuenfels (*1941) studierte Schauspiel und Regie. Schon seine ersten Inszenierungen im Theater erregten Aufsehen. Seit 1974 inszeniert er an der Oper und wurde 2005 zum «Opernregisseur des Jahres» gekürt. Er hat Gedichte und Romane veröffentlicht und mehrere Filme gedreht.
Pascal Mercier (*1944 in Bern) heisst eigentlich Peter Bieri. Er ist Professor für analytische und Sprachphilosophie an der Freien Universität Berlin und forscht auf den Gebieten Philosophische Psychologie, Erkenntnistheorie und Moralphilosophie. Seit 1995 hat er vier Romane veröffentlicht; «Nachtzug nach Lissabon» ist der neueste.
Elisabeth Bronfen ist Professorin an der Universität Zürich und als Anglistin auf anglo-amerikanischen Literatur spezialisiert. Ausserdem publiziert sie zu Gender studies, Film, Psychoanalyse und zu kulturwissenschaftlichen Themen.
Am 5. Februar wird die Reihe fortgesetzt mit dem Regisseur Alvis Hermanis und dem Islamwissenschaftler, Publizisten und Schriftsteller Navid Kermani.