Goethe durchmisst mit Faust 1 als klassischem Volks- und Versdrama und dem nicht zu bändigenden, dramaturgisch überbordenden, also deutlich postmodernen Theater des zweiten Teils inhaltlich und vor allem auch formal den kompletten geistes- und ideengeschichtlichen Kanon des deutschen Mythos. Sein Aufbruch in eine Avantgarde des radikalen Spiels zielt auf die untröstliche Fortschrittstragödie des Menschen. Sie handelt bei ihm von Krieg, Kapitalismus, dem künstlichen Menschen (ohne Körper) Homunculus und den himmlischen Heerscharen.
Aus der barocken Studierstube des ersten Teils entkommen – desillusioniert über den Abgrund Mensch, mit dessen Todeserfahrung gehärtet – galt sein Ehrgeiz dem Welttheater, der bürgerlichen Überforderung, seine Sehnsucht galt also der Abschaffung der von ihm selbst gegründeten Repräsentationsform „Theater“. Goethe redet von der Realität und simuliert gleichzeitig eine andere.
Er lässt es funktionieren und lässt nie den Zweifel, dass alles kaputt ist. Er schreibt Szenen und nummeriert sie – gibt aber keine Richtung vor. Er lässt eine gewaltige Fläche entstehen, in der wir arbeiten sollen, um irgendein Ende, irgendeine Begrenzung herauszufinden. Er ruft uns zu: Auch am Schluss ist noch nicht Schluss.
Uwe BAUTZ
Regie und Bühne: Sebastian Hartmann
Kostüme: Adriana Braga Peretzki
Musik: Martyn Heyne
Licht: Franz Peter David
Dramaturgie: Uwe Bautz, Michael Billenkamp
Mit: Manolo Bertling, Artemis Chalkidou, Manuel Harder, Matthias Hummitzsch, Janine Kreß, Benjamin Lillie, Peter René Lüdicke, Heike Makatsch, Sina Martens*, Ingolf Müller-Beck, Cordelia Wege; Roland Hegel, Martyn Heyne, Anne Müller
(* Studentin der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig)