In der Begründung der Theatersparte der Biennale von Venedig heißt es, Jens Hillje vereine in seiner Arbeit alle Eigenschaften, die die Rolle eines zeitgenössischen Dramaturgen heute ausmachen, welche über Autorschaft oder die Erarbeitung von theatralen Texten, wie es bis in jüngster Vergangenheit noch verstanden wurde, weit hinausreicht. Über die Jahre hinweg hat Jens Hillje diese Charakteristiken des zeitgenössischen Dramaturgen ausgefüllt: Er war an der Programmierung wichtiger Theater beteiligt und hat Synergien zwischen Schauspieler*innen, Autor*innen und Regisseur*innen freigesetzt. Er hat mit den bedeutendsten Künstler*innen der internationalen Szene zusammengearbeitet, um bisher unbekannte Themen zu entdecken und künstlerische Entscheidungen auf diese auszurichten. Mit großer Zielstrebigkeit verfolgte er die Entdeckung und Förderung junger Autor*innen und er bemühte sich in den Theatern, in denen er gearbeitet hat oder an denen er gegenwärtig tätig ist, sehr junge Schauspieler*innen voranzubringen und diese mit gleichermaßen jungen und auch erfahrenen Regisseur*innen zusammenzubringen.
Sein Wirken hat dazu beigetragen, dass ein neues Theaterpublikum entstehen konnte, welches aus verschiedenen sozialen Schichten und geografischen Regionen kommt. Dieses erstaunliche und beispielhafte Ergebnis möge vielleicht auch als Herausforderung für das kommerzielle Denken gesehen werden, dem sich viele Theater heute beugen.
Die Verleihung des Goldenen Löwen findet während des 47. Internationalen Theaterfestivals der Biennale statt, das vom 22. Juli bis zum 5. August 2019 in Venedig stattfinden wird.
Mehr unter: www.labiennale.org/en/news/2019-lion-awards-theatre
Jens Hillje, geboren 1968, wuchs in Italien und Niederbayern auf, wo er erste Erfahrungen mit revolutionärem Wirtshaustheater sammelte. Nach einem Studium der angewandten Kulturwissenschaften in Perugia, Hildesheim und Berlin arbeitete er ab 1990 in der freien Theaterszene als Schauspieler, Autor und Regisseur. 1996 zog er nach Berlin und gründete mit dem Regisseur Thomas Ostermeier die Baracke am Deutschen Theater, die zwei Jahre später zum Theater des Jahres gewählt wurde. Von 1999 bis 2009 war er Mitglied der Künstlerischen Leitung und Chefdramaturg der Schaubühne am Lehniner Platz. Gemeinsam mit Thomas Ostermeier und Sasha Waltz baute er dort ein internationales Schauspiel- und Tanzensemble auf. Als Dramaturg arbeitete er unter anderem mit den Regisseur*innen Barbara Frey, Luk Perceval, Yael Ronen und Sebastian Nübling zusammen.
2000 begann er an der Schaubühne eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Autor Falk Richter, die Jens Hillje nach 2009 als freier Dramaturg fortsetzte, etwa in Trust (Schaubühne Berlin 2009), My secret garden (Festival d’Avignon 2010) oder Rausch (Düsseldorfer Schauspielhaus 2012). Am Gorki entwickelte er später mit Falk Richter die viel beachtete Produktion Small Town Boy. Gemeinsam mit Nurkan Erpulat erarbeitete er 2010 am Ballhaus Naunynstraße das Stück Verrücktes Blut, das 2011 von den deutschsprachigen Kritiker*innen zum Stück des Jahres gewählt wurde. Im selben Jahr kuratierte Jens Hillje am Haus der Kulturen der Welt als Künstlerischer Leiter das Performing Arts Festival »Intransit«.
Seit der Spielzeit 2013/14 ist Jens Hillje Ko-Intendant des Maxim Gorki Theaters und hat mit Shermin Langhoff die künstlerische Leitung des Gorkis inne. Die deutschsprachigen Kritiker*innen in der Umfrage von Theater heute wählten das Gorki zum Theater des Jahres 2014 und 2016. Die Stiftung Preußische Seehandlung verleiht Shermin Langhoff und Jens Hillje gemeinsam den Theaterpreis Berlin 2016.