Die gegenseitige Wertschätzung beider Komponisten vermitteln überlieferte Kompositionen und auch ein Sonett Telemanns auf Keiser. Es liegt nahe, im Jahr des 350. Geburtstages von Reinhard Keiser den Fokus auf diese musikalischen Trendsetter zu richten.
Zur DNA der Magdeburger Telemann-Festtage gehört es, regelmäßig selten oder erstmals in unserer Zeit erklingende Werke zu präsentieren. Dazu zählen 2024 die Opern Sieg der Schönheit von Telemann und Nebucadnezar von Keiser, außerdem dessen Oratorium passionale sowie Kirchenmusiken aus Telemanns Französischem Jahrgang. Daneben hat immer wieder gern Gehörtes aus Telemanns reichem Schaffen seinen Platz, ebenso die Verbindung von Musik und Tanz und das Aufgreifen Alter Musik in neuem dramaturgischen Kontext. Neu im Programm der Festtage sind kurze Konzerte zur Mittagszeit und Konzerteinführungen zu vielen Veranstaltungen.
Die aktuelle Festivalausgabe setzt ihren Schwerpunkt im Jahr des 350. Geburtstages von Reinhard Keiser auf zwei miteinander befreundete Komponisten, die in ihrer Zeit musikalische Trends setzten und das Musileben maßgeblich prägten.
Die Magdeburger Telemann-Festtage 2024 werden von ca. 300 Künstlerinnen und Künstlern aus mehr als 20 Ländern gestaltet, darunter so exzellente Interpretinnen und Interpreten wie Barthold Kuijken, der 2024 mit dem Georg-Philipp-Telemann-Preis der Landeshauptstadt Magdeburg geehrt wird, Michael Hofstetter, Dorothee Oberlinger, Michael Schneider, Peter Van Heyghen, Sunhae Im, Lydia Teuscher, Dominik Köninger, Terry Wey, Marie-Sophie Pollak sowie renommierte Klangkörper wie La Pavillon de Musique (Belgien), die Akademie für Alte Musik Berlin, Vox Luminis (Belgien), das Il Suonar Parlante Orchestra (Österreich/Italien), das Neumeyer Consort, BachWerkVokal (Österreich), das Capricornus Consort (Schweiz) sowie La Stagione Frankfurt.
Insgesamt werden rund 30 Konzerte und szenische Produktionen für das zehntägige Festival vorbereitet, weitere Veranstaltungen kommen in dessen Umfeld hinzu.
Ausführliche Programminformationen
Zum Motto
Die Veranstaltungsplanung der Magdeburger Telemann-Festtage 2024 wurde vom „Trendsetter“-Gedanken angeregt. Der moderne Terminus schlägt eine Brücke in die Vergangenheit, denn so wie heute gab es auch in früheren Zeiten Persönlichkeiten, die mit ihrem Wissen, ihren Fähigkeiten und ihrer Weitsicht Impulse für Entwicklungen gaben oder Stile in besonderer Weise prägten, eben „Trends“ setzten. Inspiration für das Programm der Festtage ist der 350. Geburtstag des 1674 in Teuchern geborenen Komponisten Reinhard Keiser und dessen besondere musikalische wie historische Beziehung zu Georg Philipp Telemann. Im Abstand von nur rund sieben Jahren auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts geboren, sollte sich beider Wege später in der Hansestadt Hamburg kreuzen. Hier dominierten sie – zunächst nacheinander, später gemeinsam – mit ihren Opern den Spielplan des zu ihrer Zeit wohl bedeutendsten Opernhauses im deutschsprachigen Raum. Unter anderem mit seinen Bühnenwerken und dem ersten Passionsoratorium in deutscher Sprache war Keiser vielen deutschsprachigen Komponisten ein Vorbild und damit – wie Telemann – ein Trendsetter seiner Zeit.
Eröffnungskonzert mit dem Telemann-Preisträger 2024
Das Eröffnungskonzert am Abend des 8. März 2024 wurde gemeinsam mit dem Telemann-Preisträger der Landeshauptstadt Magdeburg 2024, Prof. Barthold Kuijken (Belgien), konzipiert. Er wird an diesem Abend gemeinsam mit dem belgischen Ensemble Le Pavillon de Musique im Opernhaus Magdeburg zu erleben sein – nicht nur als Dirigent, sondern auch mit seinem Instrument, der Traversflöte. Das Programm richtet den Fokus auf Vorbilder für Telemanns Schaffen und auf die im Blickpunkt der Festtage stehenden Trendsetter Telemann und Keiser.
„Sieg der Schönheit“ mit der Akademie für Alte Musik Berlin und Michael Hofstetter
Einen Festival-Höhepunkt stellt zweifellos die Neuinszenierung von Telemanns Oper „Sieg der Schönheit“ dar, mit der die traditionelle Kooperation mit dem Theater Magdeburg wieder aufgenommen wird. Einbezogen in diese Kooperation ist mit der Akademie für Alte Musik Berlin einer der renommiertesten Klangkörper der historisch informierten Aufführungspraxis unserer Zeit; die musikalische Leitung wird in den Händen des ausgewiesenen Alte-Musik-Spezialisten Michael Hofstetter liegen. Auch das Solistenensemble ist internationale Spitzenklasse. In unserer Zeit wurde dieses opulent besetzte Bühnenwerk noch nie von einem Ensemble auf die Bühne gebracht, das über eine derartige Expertise im Bereich der historischen Aufführungspraxis Alter Musik verfügt. Die geplante Neuinszenierung (Regie: Kai Anne Schuhmacher) in Magdeburg wird hier eine Lücke schließen.
Ein Fest für Opernfreunde
Neben derNeuproduktion „Sieg der Schönheit“ können sich die Festivalgäste auch auf die Aufführung von Reinhard Keisers Oper „Nebucadnezar“ freuen. Unter der musikalischen Leitung von Dorothee Oberlinger gastiert das Philharmonische Orchester Heidelberg im Opernhaus und bringt ein Werk Keisers zur Aufführung, das zu Lebzeiten des Komponisten an der Hamburger Gänsemarktoper zu einem ersten Publikumshit für die deutschsprachige Oper wurde, in unserer Zeit jedoch mit dieser Produktion erstmals erklingt.
Dem Operngenre verpflichtet ist auch das Abschlusskonzert mit dem Ensemble La Stagione Frankfurt unter der Leitung von Michael Schneider. Angeregt von Hector Berlioz‘„Symphonie fantastique“ wird eine „Opéra fantastique“ zu erleben sein, deren Ingredienzien Arien aus Erfolgsopern der beiden Komponistenkollegen Telemann und Keiser sind.
Als szenische Aufführung im Moritzhof Magdeburg ist auch „Penelope“ angelegt – ein Pasticcio, welches nach historischen Vorbildern ebenfalls Ausschnitte aus Opern von Keiser sowie einigen seiner Zeitgenossen in ein neues dramaturgisches Umfeld stellt. Dargeboten wird diese Produktion vom Ensemble Wunderkammer, das vor zehn Jahren in Berlin gegründet wurde und wiederholt Alte Musik in neue Kontexte stellt.
Erstes deutschsprachiges Passionsoratorium erklingt
Mit Spannung erwartet wird die Aufführung einer Komposition, die Musikgeschichte schrieb: Mit dem ersten deutschsprachigen Passionsoratorium setzten Reinhard Keiser und sein Textdichter Christian Friedrich Hunold (genannt Menantes) einst Maßstäbe und begründeten ein im Konzertalltag vielfach nachgeahmtes Formmodell. Erst 2006 und somit ungefähr 300 Jahre nach der Uraufführung dieser Komposition konnte die verschollene Musik in einer anonymen Partitur, die sich bald als Handschrift des Komponisten entpuppte, in der Staatsbibliothek zu Berlin wiederentdeckt werden. Hierbei handelt es sich um eine Überarbeitung des Werkes durch den Komponisten selbst, die im Jahr 1729 entstand und als „Oratorium passionale“ überliefert ist. Aufgeführt wird diese musikalische Rarität vom Ensemble „Vox Luminis“, derzeit sicherlich eines der weltweit interessantesten Ensembles für Alte Musik, unter der Leitung von Peter Van Heyghen.
Der „Französische Jahrgang“
Vermutlich 1713/14 erklang in der Eisenacher Georgenkirche ein neuer kirchenmusikalischer Jahrgang von Telemann auf Texte von Erdmann Neumeister, der als „Französischer Jahrgang“ bezeichnet wird. Und in der Tat lassen sich hier in bemerkenswerter Vielfalt Einflüsse der französischen Musik dingfest machen, explizit aus dem Bereich der Oper. Das Ensemble „Neumeyer Consort“ um Felix Koch und das Label cpo haben 2020 mit der Gesamteinspielung des Jahrgangs auf CD begonnen. Ein Segment aus fünf Kantaten, die alle in der renommierten und im Telemann-Zentrum Magdeburg redaktionell betreuten Reihe „Georg Philipp Telemann. Musikalische Werke“ (Telemann-Ausgabe) erschienen sind, erklingt nun ein einem Konzert im Rahmen der Magdeburger Telemann-Festtage und wird im Anschluss daran für die CD-Veröffentlichung eingespielt.
Brockes-Oratorium
Barthold Heinrich Brockes‘ Libretto „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“ (Hamburg 1712) gehört zu den am meisten vertonten deutschsprachigen Texten im frühen 18. Jahrhundert. Es wurde mehr als zehn Mal vollständig oder in Auszügen in Musik gesetzt. In Hamburg waren in der Fastenzeit insbesondere in den 1720er Jahren regelmäßig im Abstand nur weniger Tage vier dieser Kompositionen regelmäßig zu hören. Spätestens 1729, vermutlich aber bereits früher, folgte dieser „ringmäßigen“ Aufführung der Werke von Keiser, Händel, Telemann und Mattheson ein fünftes Werk, welches Highlights aus diesen zu einem neuen Werk, einem Pasticcio, vereint.
Sowohl die Nachdichtung des Passionsgeschehens als auch die stark von der Oper beeinflusste musikalische Gestaltung werden dazu beigetragen haben, dass diese Passionsoratorien zu damaliger Zeit in der Regel im Konzertsaal oder in Privathäusern zur Aufführung kamen, nicht jedoch in einer Hauptkirche. Daran orientiert sich auch die Aufführung in Magdeburg im Festsaal des Herrenkrug-Hotels.
In unserer Zeit ist dieses Pasticcio des Brockes-Oratoriums eine wahrhafte Neuentdeckung für das Konzertleben; war es doch bislang erst einmal in Hamburg zu hören. Die Besucherinnen und Besucher dürfen sich auf das Erklingen einer quellenkritischen Neufassung der Komposition freuen, die für die Magdeburger Telemann-Festtage entstanden ist.
Beim Ensemble BachWerkVokal aus der Musikmetropole Salzburg liegt dieses hochdramatische und effektvoll gestaltete Werk in den besten Händen.
Erstaufführungen und musikalische Raritäten
Mit Kompositionen, die erstmals in unserer Zeit erklingen (Kirchenmusiken aus Telemanns „Französischem Jahrgang“) bzw. die äußerst selten ihren Platz im Musikleben haben (z. B. die Opern „Sieg der Schönheit“ von Telemann, „Nebucadnezar“ von Keiser, das Pasticcio des Passionsoratoriums auf Brockes‘ Text oder das „Oratorium passionale“ von Keiser), bleiben die Magdeburger Telemann-Festtage ihrem Markenkern der Werktreue und Darbietung in historisch informierter Aufführungspraxis treu. Zugleich öffnen sie sich, indem sie bekannte Ausschnitte aus Werken der Alten Musik in neue szenische oder dramaturgische Konzepte einbetten („Penelope“, „Opéra fantastique“). Gewonnen wurden für die unterschiedlichsten Formate in jedem Fall erlesene und international herausragende Interpretinnen und Interpreten, die den Werken gerecht werden und das Publikum zu begeistern verstehen.
Rahmenprogramm
Bereits im Vorfeld der Festtage zieht das Projekt „Telemann für Schüler“ die Aufmerksamkeit der jüngsten Konzertbesucher auf sich. Dazu kooperieren die Magdeburger Telemann-Festtage mit 17 Grundschulen aus Magdeburg und dem Umland . Vorbereitet werden 20 Veranstaltungen, zu denen insgesamt 3.000 Schülerinnen und Schüler erwartet werden. Unter Einbeziehung des Grimmschen Märchens „Der gestiefelte Kater“ werden sie altersgerecht in einem Mitmachkonzert mit Telemanns Musik bekannt gemacht.
Während der Festtage laden kurze „Lunch“-Konzerte von 40 Minuten Dauer im EinLaden (Breiter Weg 30) zur Mittagszeit zu musikalischer Entspannung in lockerer Atmosphäre ein. Sie sind Ankerpunkte des Festivals in einer der Einkaufsmeilen der Stadt, wollen neugierig machen und Genreübergreifendes anbieten.
Eine Kooperation mit dem Literaturhaus Magdeburg führt den Germanisten Prof. Dr. Bernhard Jahn (Hamburg) zurück nach Magdeburg. Ausgehend von den Programmschwerpunkten des Festivals widmet er sich an Telemanns 343. Geburtstag in seinem Vortrag dem Thema „Telemann, Keiser und ihre Librettisten“.
Ein interdisziplinärer Workshop„Wege zu Telemann ,digital‘“ führt Fachkolleginnen und -kollegen aus Deutschland, Österreich, Italien und den USA am 14. und 15. März 2024 zusammen, um im Blick auf die Arbeit an einem digitalen Verzeichnis der Werke Telemanns über inhaltliche Aspekte von Komponisten-Werkdatenbanken und – im übertragenen Sinne – auch Fragen des Crowd Computings zu diskutieren.
Eine Junior Masterclass am Konservatorium Georg Philipp Telemann (15./16.03.2024, Dozentin: Lea Rahel Bader) wendet sich an den künstlerischen Nachwuchs und tägliche Stadtrundgänge „Auf Telemanns Spuren durch Magdeburg“ (8.-17.03.2024, jeweils 11 Uhr) warten auf Neugierige, die mehr über die Telemannstadt Magdeburg erfahren wollen.
Magdeburger Telemann-Festtage – Tradition seit 1962
Die Magdeburger Telemann-Festtage werden seit 1962 veranstaltet. Im Zentrum des Festivals steht das faszinierende Werk des in Magdeburg geborenen und bereits zu Lebzeiten europaweit gefeierten Komponisten Georg Philipp Telemann (1681–1767). Das Musikfest präsentiert international gefeierte Künstlerinnen und Künstler sowie erstklassige Ensembles in verschiedensten Veranstaltungsformaten – vielfach an geschichtsträchtigen Orten.
Die Magdeburger Telemann-Festtage orientieren vor allem auf eine historisch informierte Aufführungspraxis, wollen dem ursprünglichen Klangbild der dargebotenen Werke auf die Spur kommen. Eine Besonderheit des Festivals besteht auch in der Aufführung „neuer“ bzw. selten zu hörender Telemann-Werke auf der Basis aktueller Forschungsergebnisse.
Zunächst im Abstand von zwei bis drei Jahren veranstaltet, finden die Magdeburger Telemann-Festtage seit 1990 im Biennale-Rhythmus statt. Seither folgt die Programmkonzeption auch einem inhaltlichen Motto (z.B. 1998 „Telemann und Frankreich“, 2000 „Telemann und Bach“, 2008 „Telemann und Händel“, 2016 „Telemann und das Konzert“, 2018 „Voller Poesie. Telemann und die Literatur“, 2022 „Klangfarben“ anlässlich des 60jährignen Gründungsjubiläums). Angeregt von Musikerjubiläen, wichtigen Daten in Telemanns Leben oder historischen Ereignissen bietet die Motto-Orientierung eine Möglichkeit, dem Publikum und der Fachpresse das kompositorische Werk systematisch aufbereitet zu präsentieren. Vor diesem Hintergrund wurde auch der Themenschwerpunkt für 2024 gewählt: „Trendsetter. Georg Philipp Telemann und Reinhard Keiser“.
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Tickets
Karten können online (telemann.de), an verschiedenen Magdeburger Vorverkaufsstellen oder telefonisch über die Ticket-Hotline 0391 5404000 (Mo.-Fr., 9.00-17.00 Uhr) erworben werden.
U27-Ticket
Das Ticket kostet in allen Kategorien 10 EUR. Es gilt in ausgewiesenen Veranstaltungen für Kinder und junge Erwachsene bis 27 Jahren gegen Vorlage eines Altersnachweises.
Schirmherr der 26. Magdeburger Telemann-Festtage ist Dr. Reiner Haselhoff, Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt.
Infos unter telemann.org/veranstaltungen/telemannfesttage/programm.html