Die Figur des Lohengrin basiert auf der Gestalt des Gralsritters „Loherangrîn“ in Wolfram von Eschenbachs mittelhochdeutschem Versepos Parzival. Der Sohn des Gralskönigs Parzival wird auf einem Schwan der Herzogin von Brabant als Helfer und Beschützer gesandt. Als Bedingung für seine Hilfe darf sie ihn jedoch niemals fragen, wer er sei, wie er heiße und woher er komme. Als sie, von Telramund und Ortrud geschickt manipuliert und von Zweifeln geplagt, sein Verbot bricht, muss er sie verlassen.
Die erste Konzeption des Lohengrin geht auf Richard Wagners Pariser Zeit 1841/42 zurück. Wagner stellte die Partitur 1848 in Dresden fertig, wo er seit 1843 Königlich-Sächsischer Kapell-meister an der Dresdner Hofoper war. Es war die Zeit der politischen Diskussionen und Revoluti-onen, an denen sich auch Wagner aktiv beteiligte. Er schloss sich den republikanischen Reformbestrebungen in Sachsen an. Wagner bemühte sich auch um eine Theaterreform am Hoftheater und entwickelte seine Idealvorstellungen über den Stellenwert der Kunst in der Gesellschaft. Nach seiner Teilnahme am Dresdner Maiaufstand 1849 wurde der Hofkapellmeister steckbrieflich gesucht und musste fliehen. Bei der Uraufführung des Lohengrin 1850 in Weimar unter der Lei-tung von Franz Liszt konnte er deshalb nicht dabei sein, auch nicht bei der Aufführung 1853 in Wiesbaden. Er hörte seine Oper erstmals 1861 an der Wiener Hofoper. Lohengrin entwickelte sich in den Folgejahren schnell zu einem nationalkulturellen Repertoirewerk.
An der Oper Lohengrin lässt sich die politische Situation ihrer Entstehungszeit vielleicht weniger konkret ablesen als am Konzept des Rings, das Wagner in jener Zeit vorantrieb, aber spurlos an ihr vorüber gingen die Reformgedanken Wagners nicht. Die Verklärung des Mittelalters, die Wagner anstrebte, wird der politischen Utopie gleichgesetzt, die auch seine Zeit beschäftigte. Musikalisch gelang ihm ein Werk, das Nietzsche als „blau, von opiatischer, narkotischer Wirkung“ beschrieb und dessen Bläserklänge Theodor W. Adorno als Vorwegnahme des Impressionismus analysierte. Nicht nur die szenischen und musikalischen Querverweise werden gegenüber den früheren Werken komplexer gestaltet, sondern auch die Instrumentation, die von einer subtilen Raffinesse geprägt ist.
Lohengrin ist ein deutlicher Schritt hin zum durchkomponierten Musikdrama. Zum ersten Mal wandte Wagner die Technik der Leitmotivik an, die das Bühnengeschehen strukturiert und auch alle seine späteren Werke durchzieht. Bei diesem Werk wurde ihm die Themenfindung klar, die für ihn „immer im Zusammenhang und nach dem Charakter einer plastischen Erscheinung“ entsteht, wie er 1851 in einem Brief an Theodor Uhlig schrieb.
Die musikalische Leitung der Neuproduktion liegt bei Marc Piollet, der sich mit dieser Einstudierung als Wiesbadener Generalmusikdirektor verabschiedet. Regie führt die deutsche Regisseurin Kirsten Harms, die bereits in Bremen, Hannover, Kiel, Saarbrücken, Darmstadt, Innsbruck und Berlin inszenierte. 1995 wurde sie als Intendantin an die Oper Kiel berufen, wo sie mit Uraufführungen, Wiederentdeckungen und einem Team junger Regisseure ein klares künstlerisches Profil entwickelte und sich durch ihre Inszenierung von Wagners Ring-Zyklus überregionale Anerken-nung sicherte. An der Deutschen Oper Berlin, der sie von 2006 bis 2011 als Intendantin vorstand, waren in ihrer Regie Franchettis Germania und der Doppelabend Cassandra/Elektra von Vittorio Gnecchi/Richard Strauss, Tannhäuser von Richard Wagner sowie Die Frau ohne Schatten und Die Liebe der Danae von Richard Strauss zu sehen. In Berlin arbeitete sie unter anderem mit dem Künstler Bernd Damovsky, der auch für Lohengrin das Bühnenbild und die Kostüme ent-wirft. Damovsky studierte Bildhauerei und arbeitet seit 1984 als freischaffender Bühnen- und Kostümbildner an verschiedenen Theatern und Opernhäusern, unter anderem an der Hamburgischen Staatsoper.
Endrik Wottrich gastiert als Lohengrin in Wiesbaden. Der Sänger, der 1996 seinen internationa-len Durchbruch mit seinem Debüt bei den Bayreuther Festspielen als David feierte und seither regelmäßig in den wichtigen Partien seines Fachs in Bayreuth zu Gast war, begann seine Sängerkarriere 1992 am Staatstheater Wiesbaden. Als Ortrud ist in Wiesbaden Andrea Baker zu hören, die weltweit in den großen Opernhäusern und wichtigen Konzertsälen singt und besonders gefragt ist für Wagner-Rollen wie Fricka, Erda, Waltraute, Brangäne, Venus und Ortrud.
Außerdem gibt es in der Neuproduktion ein Wiedersehen mit der amerikanischen Sopranistin Lydia Easley als Elsa von Brabant. Sie war zuletzt als Marschallin und Liù in Wiesbaden zu erle-ben. Auch der Österreicher Albert Pesendorfer, der als Heinrich der Vogler debütiert, ist kein Unbekannter in Wiesbaden, wo er bereits als Baron Ochs in Der Rosenkavalier zu hören war.