Sir Kenneth MacMillans groß besetzte Stuttgarter Tanz-Schöpfungen Das Lied von der Erde und Requiem kehren nach mehr als einem Jahrzehnt auf die Bühne des Opernhauses zurück. Beide Werke beeindrucken mit herausfordernden Rollen für zahlreiche Solisten der Compagnie und werden musikalisch interpretiert von Gesangs-Solisten und dem Extra-Chor der Staatsoper Stuttgart sowie dem Staatsorchester Stuttgart.
Die hochkarätige Besetzung führen anlässlich der Wiederaufnahme
Friedemann Vogel (Der Ewige), Maria Eichwald und Filip Barankiewicz (in Lied
von der Erde) sowie Sue Jin Kang, Jason Reilly, Alicia Amatriain, Jirí Jelinek
und Marijn Rademaker (in Requiem) an. Gesangs-Solisten der
Wiederaufnahme sind Olga Polyakova, Michaela Schuster, Motti Kastón und
Johan Weigel.
Eine lebenslange Freundschaft verband Kenneth MacMillan nicht nur mit John
Cranko, sondern auch mit dem Stuttgarter Ballett, für das er neben hohem
künstlerischen Respekt auch eine tiefe persönliche Zuneigung empfand. Hier konnte er zwei Werke choreographieren, die er selbst als Schlüsselwerke seines Schaffens definierte und in deren Beurteilung sich die internationale Ballettkritik (und dabei nicht zuletzt die britische und amerikanische Presse!) einig war: Mit Lied von der Erde zu Musik von Gustav Mahler, und Requiem, zu Faurés Totenmesse im Gedenken an John Cranko choreographiert, hatte MacMillan 1965 und 1976 zwei seiner besten, für manche seine besten Ballette überhaupt geschaffen.
In Großbritannien wurde MacMillan 1983 für seine Verdienste um den klassischen Tanz zwar in den Adelsstand erhoben, doch in den 1960er und 1970er Jahren hatten die konservativen Vorstände des Londoner Royal Ballet den hochfliegenden Ideen ihres Choreographen und (von 1970 bis 1977) Direktors nicht zu folgen vermocht: Sowohl seinen Vorschlag, zu Mahlers Lied zu choreographieren als auch den Wunsch, im Andenken an John Cranko ein Ballett zu Faurés Requiem zu schaffen lehnte man beim Royal Ballet kategorisch und über Jahre hinweg mehrfach ab.
1965 war es John Cranko, der MacMillan einlud, seine Vorstellungen in Stuttgart umzusetzen, 1976 nahm Márcia Haydée sich des Projektes Requiem mit Enthusiasmus an. Beide Stuttgarter Uraufführungen war herausragender Erfolg bei Publikum und Kritik beschieden und beide Werke fanden Eingang in das internationale Ballettrepertoire, schließlich auch in das Repertoire des Royal Ballet.
Der 1929 in Schottland geborene MacMillan hatte John Cranko 1946 bald nach
dessen Ankunft aus Südafrika an der Sadler's Wells Ballettschule in London
kennengelernt. Hier wurden beide zu Tänzern ausgebildet, traten mit der Compagnie von Ninette de Valois, dem späteren Royal Ballet, in Covent Garden auf und begannen beide zu choreographieren – eine Berufung, die John Cranko früh für sich entdeckt hatte und zu der er später MacMillan ermutigte, als dieser seine Tänzerkarriere wegen chronischer Auftrittsangst beenden wollte. Cranko zeigte gleich nach seinem Amtsantritt als Ballettdirektor in Stuttgart erstmals Werke von MacMillan und beauftragte ihn mit dem 1963 in Stuttgart uraufgeführten Las Hermanas.
Insgesamt hat die Compagnie 14 seiner Werke im Repertoire, sechs
davon wurden für Stuttgart geschaffen. Nach dem Erfolg von Das Lied von der Erde trug man MacMillan die Leitung des Balletts der Deutschen Oper Berlin an, die er von 1966 bis 1969 innehatte. Von 1970 bis 1977 war er Künstlerischer Direktor des Royal Ballet London und anschließend bis zu seinem Tod Leitender Choreograph des Ensembles, für das er zahlreiche
Einakter und eine Reihe abendfüllender Ballette schuf.
Kenneth MacMillan starb an einem Herzinfarkt am 29. Oktober 1992, hinter der Bühne in Covent Garden, wo er die Wiederaufnahme seines Balletts Mayerling verfolgte. Beim Stuttgarter Ballett bereitete man zu diesem Zeitpunkt gerade die Wiederaufnahme seiner beiden Hauptwerke Requiem und Das Lied von der Erde vor und erwartete MacMillan zu den Endproben Anfang 1993. Ursprünglich zum 20. Todestag Crankos konzipiert
wurde der Ballettabend, der am 13. Februar 1993 Premiere feierte, dem Andenken Kenneth MacMillans gewidmet. Auch 16 Jahre später lässt sich zum 80. Geburtstag des Choreographen kein passenderes Programm denken als ein Ballettabend, der diese beiden Meisterwerke vereint.
Das Lied von der Erde
Ballett in einem Akt und sechs Sätzen
Choreographie: Kenneth MacMillan
Musik: Gustav Mahler Das Lied von der Erde
Bühnenbild und Kostüme: Nicholas Georgiadis
Licht: John B. Read
Uraufführung: 07. November 1965, Stuttgarter Ballett
1. Satz: Das Trinklied vom Jammer der Erde
2. Satz: Der Einsame im Herbst
3. Satz: Von der Jugend
4. Satz: Von der Schönheit
5. Satz: Der Trunkene im Frühling
6. Satz: Der Abschied
Requiem
Choreographie: Kenneth MacMillan
Musik: Gabriel Fauré Requiem, op. 48
Bühnenbild und Kostüme: Yolanda Sonnabend
Licht: Mark Pritchard
Uraufführung: 28. November 1976, Stuttgarter Ballett
Kenneth MacMillan widmete dieses Ballett dem Andenken seines Freundes John Cranko
Besetzungen unter www.stuttgart-ballet.de