Aus der Jury-Begründung:
In Henriette Dushes „Bühnenelegie“ loten drei Frauenfiguren und drei Männer-Stimmen Erinnerungsstrukturen aus: Es geht um anfallartige Amnesien, um realsozialistische Diktaturrückstände, um schnöde Gegenwartsphänomene und um die Frage, wie alles miteinander zusammenhängt – kurz: um alles. Und diese Zusammen- hänge kommen eben nicht als plakative Erklärungsschnellschüsse daher, sondern schlängeln sich wohltuend deutungsoffen, polyphon und gleichzeitig hoch präzise durch den Text. Mit traumwandlerischer Sicherheit changiert Henriette Dushes dramatische Sprache zwischen Konkretion und Abstraktion, zwischen individuellem und kollektivem Gedächtnis, zwischen singulärem und gemeinschaftlichem Sprechakt. Und genau so, wie die jüngere Vergangenheit hier immer wieder buchstäblich einsickert in die Jetztzeit, bleibt auch die Gegenwart selbst angemessen schwer greifbar: Statt gemütlicher Deutungssicherheit verspricht „In einem dichten Birkenwald, Nebel“ Vielstimmigkeit, Interpretations autonomie und Komplexität.
(Christine Wahl)