Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Ironisches VerwirrspielIronisches VerwirrspielIronisches Verwirrspiel

Ironisches Verwirrspiel

"Untitled: NATURA" von Ben J. Riepe Kompanie im Tanzhaus NRW Düsseldorf

Copyright: Ursula Kaufmann

 

Was ist Rolle, was ist Authentizität? In Ben J. Riepes neuem Stück "Untitled: Natura" versuchen die Darsteller den Zuschauer aufs Glatteis zu führen, wenn sie ihn wie in der Vorstellungsrunde einer therapeutischen Gruppensitzung mit Identifikationsproblemen bekannt machen. Selbstverständlich gehört auch das zur Rolle.

 

"Nein, ich bin nicht betrunken" säuselt die Tutu tragende zierliche Tänzerin. Aber wie erklärt sich ihr Verhalten dann? Immer wieder werden Widersprüche zwischen den durch bizarre Verhaltensweisen erzeugten Eindrücken und ihren verbalen Erklärungen thematisiert. Ist das Körperreiben auf und an den Stühlen animalisch, erotisch oder neurotisch? Auf der Suche nach Identität schlüpft man schon einmal in die Haut eines Tieres, posiert lasziv auf einem Pferdesattel und langweilt sich dabei, und scheitert heiter, indem man einen Doppelselbstmord unter Frischhaltefolie inszeniert. Das Leben ein Spiel? Das Stück ein Spiel!

 

In "Untitled: Natura" greift Riepe auf einige Elemente aus seinen vorherigen Stücken zurück. So finden sich auch hier die Darsteller in Tierrollen wieder oder staksen auf hohen Stöckelschuhen über die Bühne. Und Nebel ist ebenfalls wieder dabei.

 

Tanz, Schauspiel, Performance, Akrobatik: die Montagetechnik, derer sich Riepe hier bedient, gewährt den einzelnen Darstellern den großen Auftritt, führt aber auch dazu, dass kein geschlossenes Ganzes entsteht. Das Ende plätschert etwas aus, wenn noch einmal der Versuch unternommen wird, die Grenzen zwischen Bühne und Leben aufzubrechen und der Zuschauer aufgefordert wird, auf der Bühne Platz zu nehmen und Teil des Spiels zu werden. Das dauert erfahrungsgemäß etwas, bis dieser sich darauf einlässt. Bleibt die Frage nach Leben oder Spiel nun ungeklärt?

 

Choreografie, künstlerische Konzeption: Ben J. Riepe; Darsteller: Fa-Hsuan Chen, Deborah Gassmann, Simon Hartmann, Hyun Jun Kim, Linda Nordström, Daniel Ernesto Müller Torres; Musik: João Bento; Lichtdesign: Jochen Göpfert; Produktionsleitung, Foto: Maximilian Linsenmeier; choreografische Assistenz: Fang-Yun Lo, Elena Kofiná; Management: Jan Riepe, 2011

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 10 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

NICHT AUF DEN LITURGISCHEN BEREICH BESCHRÄNKT --- Bruckners e-Moll-Messe und Motetten bei BR Klassik

Anders als die frühe d-Moll-Messe blieb die 1866 in Linz komponierte e-Moll-Messe nicht auf den liturgischen Bereich beschränkt. Die alten Kirchentonarten stehen bei der Messe in e-Moll von Anton…

Von: ALEXANDER WALTHER

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑