Die Mutter Iokaste zwingt die beiden an den Verhandlungstisch: Rede vor Rache. Sie appelliert an die menschliche Autonomie und die Freiheit der Wahl. Was aber, wenn subjektives Gerechtigkeitsempfinden und Recht nicht deckungsgleich sind wie im Falle von Polyneikes, der sich um den Thron geprellt sieht? Diplomatie erfordert die Fähigkeit zum Verzicht. Doch klebt das „Nicht Weichen Wollen“ geradezu symptomatisch an der Familie des Ödipus. Weder er noch sein Vater Laios haben sich den Vortritt gelassen, als sie einander an der Wegkreuzung gegenüberstanden. Eteokles rückt vom Machtanspruch ebenso wenig ab wie Polyneikes. Und die kleine Antigone wird später selbst unter Todesandrohung auf einem ordentlichen Begräbnis ihres Bruders bestehen.
Inspiriert ist »Iokaste« von der Mythenbearbeitung des Euripides unter dem Titel »Die Phoenissen« und der ungefähr 60 Jahre älteren Tragödie »Sieben gegen Theben« von Aischylos. Der Text »Iokaste« dreht die Schraube weiter ins Hier und Jetzt. Moderne Krisenherde lassen sich nicht durch militärische Interventionen löschen. Seit dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges im Februar 2022 ist dieser Stoff des mörderischen Bruderkonfliktes und des Scheiterns der Diplomatie von erschreckender Aktualität.
Es spielen:
Paul Behren, Daniel Hoevels, Josefine Israel, Maximilian Scheidt, Ernst Stötzner, Julia Wieninger, Michael Wittenborn
Der Junge:
Benjamin Crawford-Anton / Felix Strauß
Regie:
Karin Beier
Bühne:
Johannes Schütz
Kostüme:
Wicke Naujoks
Musik:
Jörg Gollasch
Licht:
Annette ter Meulen
Video:
Voxi Bärenklau
Dramaturgie:
Sybille Meier
Bühnenbildmitarbeit:
Anna Wörl
Kostümmitarbeit:
Teresa Heiß