Vorfreude und trubeliges Feiern, die weihnachtliche Stimmung gibt Demis Volpi genau wieder. Liebevoll stattet er zudem die Protagonisten mit kleinen charakterlichen Eigenheiten aus, etwa die sich ärgernden Zwillingscousinen, den frechen Bruder, der sich etwas ungelenk auf seinem neuen Fahrrad bewegt, die strickende Großmutter, die alkoholliebende Tante Wirbelwind, die Naschkatze Tante Zuckermund. So wirkt der Ballettklassiker „Der Nussknacker“ von Peter Tschaikowsky lebendig, ist fern von jeglicher Betulichkeit.
Dann ist auch dieser Abend vorbei und alles geht nur Ruhe. Nur Clara schleicht sich noch einmal ins Wohnzimmer zu ihrem Nussknacker zurück. Und um Mitternacht erwacht plötzlich der Nussknacker zum Leben, schwerfällig, wie es sich für ein hölzernes Wesen gehört und mit eckigen Bewegungen. Mäuse versuchen ihn zu stehlen, was Clara zu verhindern weiß. In Claras Fantasie - oder ist es gar ein Traum? – entsteht ein Schneegestöber, Drosselmeier gesellt sich dazu. Statt der ursprünglichen Divertissements mit den ethnischen Tänzen haben die jungen Choreographen und Choreographinnen (Wun Sze Chan, Michael Foster, Neshama Nashman, James Nix, Bahar Gökten und Yeliz Pazar), ganz konform mit den derzeitigen Kolonialismusdebatten, u.a. ein lustiges Cupcake-/Tortenballett, einen bezaubernden Tanz der Lichter und einen poetischen Blumentanz kreiert. Auch das Ende ist neuinterpretiert, denn der starre Nussknacker hat sich in einen smarten Jüngling entwickelt, der Clara den Hof macht, und der begeistert in die Familie aufgenommen wird. So war das Weihnachtsfest sozusagen der Wendepunkt für Claras Entwicklung vom Mädchen zu Frau.
Zum überzeugenden Gesamtbild des fröhlichen, poetischen Ballettes von Demis Volpi tragen auch das aufs Wesentliche beschränkte Bühnenbild und die fantasievollen Kostüme von Katharina Schlipf bei. Man darf also schwelgen. Alles ist sehr harmonisch, das Unheimliche, Unerklärliche wie in E.T.A. Hoffmanns Kunstmärchen ja vorhanden, kommt dagegen etwas zu kurz und der mechanische Instrumentenbauer Drosselmeier hätte auch etwas mysteriöser gezeichnet sein können.
Unter der musikalischen Leitung von Marie Jacquot musizierten die Düsseldorfer Symphoniker besonders feinfühlig und klangvoll. Für diese schwungvolle Neuinterpretation von Peter Tschaikowskys „Nussknacker“, die einfach gute Laune macht, gab es dann auch verdienten, stürmischen Applaus.
"Der Nussknacker" in der deutschen Oper am Rhein
Uraufführung am 24. Januar 2016 am Ballett Vlaanderen, Stadsschouwburg, Antwerpen.
Diese Produktion wurde für das Ballett Vlaanderen kreiert.
Choreographie: Demis Volpi, Wun Sze Chan, Michael Foster, Neshama Nashman, James Nix, Bahar Gökten und Yeliz Pazar (Nutrospektif)
Musik: Peter Iljitsch Tschaikowsky
Musikalische Leitung: Marie Jacquot
Bühne und Kostüm: Katharina Schlipf
Licht: Bonnie Beecher
Einstudierung: Damiano Pettenella, Brent Parolin
Dramaturgie: Maurice Lenhard
Düsseldorfer Mädchen- und Jungenchor
Düsseldorfer Symphoniker