"In a good play every speech should be as fully flavoured as a nut or apple." - Es ist in der Tat ein hoher Maßstab, den der irische Dramatiker John Millington Synge (1871-1909) an ein gutes Theaterstück anlegte. Und, seien wir einmal ehrlich, wie viele Bühnenwerke, darunter auch ganz namhafte, verblassen nicht gegen die Vorstellung, noch bis in die letzte Redewendung aromatisch, vollmundig und wohlschmeckend zu sein? "Realismus allein genügt nicht", meinte ihr Urheber noch, "die Bühne muß Wirklichkeit und Fröhlichkeit ausstrahlen", denn "die echte und reine Freude findet man nur in der hinreißenden, wilden Wirklichkeit".
Wie das alles aussehen könnte, hat Synge selbst mit seinem Theaterstück "The Playboy of the Western World" unter Beweis gestellt. Seit der Uraufführung am 26. Januar 1907 in Dublin hat die turbulente Groteske um einen angeblichen Vatermörder ein weltweit höchst erfolgreiches Eigenleben entwickelt: Neben zahllosen Inszenierungen auf dem Sprechtheater gibt es inzwischen eine Verfilmung und ein Musical. Eine erste Übersetzung ins Deutsche von Peter Hacks wurde 1956 vom Berliner Ensemble gegeben. Annemarie und Heinrich Böll besorgten die heute maßgebliche deutsche Fassung, die erstmals 1960 am Kölner Schauspielhaus herauskam.
Grund genug also für die dortigen Bühnen, Synges tragikomische Ödipus-Variante knapp 100 Jahre nach ihrer Entstehung als musikdramatische Version in Auftrag zu geben. Komponist ist der 1966 in Hamburg gebürtige Jan Müller-Wieland, dem kein Geringerer als Hans Werner Henze einen "Humor wie Verdi im 'Falstaff'" attestierte. Und ebenso rasant wie beim Altmeister der italienischen Oper geht es unter dem sehr engagierten Dirigat von Markus Stenz und der einfallsreichen Inszenierung von Karoline Huber im Kölner Opernhaus denn auch zur Sache. Bernstein, Barber und andere moderne Klassiker lassen grüßen, vieles wirkt wie aus allen möglichen bekannten Vorlagen collagiert, fetzige Rhythmen jagen durchs Orchester, Schlaginstrumente walten ihres lautstarken Amtes, leise Töne, manchmal fast impressionistisch grundiert, fehlen nicht.
Trotz dieser gepfefferten Mischung (Synge hätte sicherlich seine Freude am kräftigen Aroma gehabt), scheinen der Musik auf halber Strecke der eindreiviertelstündigen Spieldauer Luft und Einfälle auszugehen. Die hochtourig überdrehte Lustigkeit, bei der eine Pointe die andere überbieten möchte, beginnt zu ermüden. So kommen auch die achtbaren Anstrengungen des überaus spielfreudigen Ensembles (allen voran Claudia Rohrbach in der als Hosenrolle angelegten Titelpartie) nicht mehr so recht über die Rampe. Ein Sonderlob übrigens für den von Andrew Ollivant ausgezeichnet einstudierten Chor. - Trotz dieser Einschränkungen und eines nicht eben berauschenden Publikumserfolgs wird man Müller-Wielands "Helden der westlichen Welt" auf der Habenseite einer insgesamt doch recht durchwachsenen Kölner Opernspielzeit 2005/06 verbuchen können.
Premiere war am 7. April 2006 in der Kölner Oper
Besuchte Vorstellung: 20. Mai 2006, weitere Vorstellungen auf dem Spielplan
Homepage des Komponisten: www.janmueller-wieland.de