Im Jahre 1760 hatte der grosse Ballettreformator Jean-Georges Noverre am Hofe Karl Eugens von Württemberg in Stuttgart seine berühmten Briefe veröffentlicht – eines der bedeutendsten Zeugnisse der Theorie und Ästhetik der Ballettkunst. Anstelle der äusserlichen Virtuosität, des Schematismus und Formalismus der höfischen Ballettkunst forderte er die dramatische Ballettpantomime, in der Tanz, Mimik, Bühnendekoration und Musik ganz dem Ausdruck menschlicher Gefühle, Gedanken und Erlebnisse dienen sollten. Ein Jahr nach dem Erscheinen dieser Briefe Noverres wurde «Don Juan» mit der Musik von Gluck und in der Choreografie Gasparo Angiolinis in Wien uraufgeführt. 28 Jahre vor Mozarts Oper «Don Giovanni» wurde in diesem Ballett der gesellschaftskritische Stoff vom Untergang eines aristokratischen Lebemannes ausdrucksstark und zutiefst «rührend», wie es Noverre verlangte, gestaltet. Glucks Musik, vor allem bei der Erscheinung des steinernen Gastes im zweiten Bild und bei Don Juans Höllenfahrt am Schluss, ist aussergewöhnlich erregend und expressiv. Nach grossen Choreografen der Vergangenheit wie Rudolf von Laban, Michail Fokin und Léonide Massine setzt sich Heinz Spoerli erstmals mit dem «Don Juan»-Stoff auf der Ballettbühne auseinander.
Im zweiten Teil des Abends widmet sich der Zürcher Ballettdirektor ausserdem der grossangelegten, 1895 entstandenen sinfonischen Dichtung «Till Eulenspiegels lustige Streiche» von Richard Strauss. Man darf gespannt sein, wie Heinz Spoerli die Episoden aus dem Leben des Schalksnarren auf die Bühne bringt, der die Welt zum besten hielt, seine spöttischen Weisheiten hinter der Maske des Narren verbarg und die Menschen lehren wollte, sich selbst nicht so ernst und alles nicht so tragisch zu nehmen.
Eröffnet wird der dritte Ballettabend dieser Saison mit «Grid», einer Choreografie, die Heinz Spoerli 1987 zu Dmitri Schostakowischs zweiten Klavierkonzert op. 102 schuf, «ein choreografisches Gitterwerk, mit leichter Hand gewebt, von feinem Humor und Reichtum der Formen bestimmt.» (ballett international). Schostakowitschs Klavierkonzert wird vom Pianisten Alexey Botvinov interpretiert.
Theodor Guschlbauer
Choreographie
Heinz Spoerli
Keso Dekker, Florian Etti, Jordi Roig
Orchester
Orchester der Oper Zürich
Mit
Zürcher Ballett