Mit goldschimmernder Reinheit musizierten sie unter der impulsiven Leitung von Dan Ettinger zunächst das Ballet en deux tableaux "Apollon musagete" von Igor Strawinsky. Musik erfolgt bei dieser Tanzpartitur ganz nach melodischen Prinzipien mit einem vielstimmigen Wohlklang der Streicher. Das polyphone Gewebe wurde bei dieser einfühlsamen Wiedergabe präzis herausgearbeitet. Diaghilew schrieb über "Apollon": "Es ist ein erstaunliches Werk von ungewöhnlicher Ruhe und einer Klarheit, wie Strawinsky sie bis jetzt noch nie erreicht hat..." Die kontrapunktische Durchdringung der Partitur gelang den Stuttgarter Philharmonikern unter der Leitung von Dan Ettinger ausgezeichnet. Die Largo-Einleitung beschrieb die Geburt Apollos, wobei die Musik eine heitere Strenge im Rhythmus erhielt. Die barocke Geste wurde nicht geleugnet. Das melodische Ideal Lullys ging hier nicht unter. Ein großartiges Thema mit erhabener klanglicher Schönheit erinnerte in ergreifender Weise an das 19. Jahrhundert. Und am Schluss des Werkes verhallte die festliche Apotheose mit diesem Thema. Im zweiten Bild überreichte der Gott den Musen die Zeichen ihrer Künste. Jede der Ausgezeichneten hatte eine fast sphärenhafte Soloszene. Apollos zweiter Tanz ließ Bachs Klänge in einem Lento von großer Intensität mitschwingen, dann begleitete ein dezent musiziertes Adagio den Pas de deux von Terpsichore und Apoll. Die belebte Coda vereinigte in virtuoser Weise alle vier Tänzer.
Tanja Becker-Bender (Violine) war dann die überaus einfühlsame Interpretin bei Max Bruchs berühmtem Violinkonzert Nr. 1 g-Moll op. 26. Die Themen des eröffnenden Allegro moderato gingen wirklich unter die Haut, obwohl sie "Vorspiel"-Charakter besaßen. Bruch wurde dabei als Meister der Instrumentation und Satzkunst präsentiert. Dan Ettinger führte die Stuttgarter Philharmoniker zusammen mit Tanja Becker-Bender zu eindrucksvollen dynamischen Steigerungen. Der Solopart wurde ausgesprochen abwechslungsreich gestaltet. Die Melodienfülle des Adagio wurde von Tanja Becker-Bender voll ausgekostet. Und die Virtuosität des Finales kam nirgends zu kurz. Das erste Thema besaß tänzerischen Schwung und vorwärtsdrängende Kraft, die nicht nachließ. Erinnerungen an Johannes Brahms wurden wach. Prunkvoll gestaltet schloss sich das zweite Thema an. Ein Höhenfeuerwerk der Virtuosität wurde abgebrannt, bei dem Tanja Becker-Bender mit den Stuttgarter Philharmonikern unter Dan Ettinger um die Wette spielte.
Als Zugabe spielte sie noch feurig bewegt ein Stück aus einer Sonate von Erwin Schulhoff, wo Einflüsse der Schönberg-Schule durchschimmerten.
Debussys Gewähltheit sucht man vergeblich bei Ottorino Respighis gewaltiger Tondichtung "Feste romane", die auch grandiose Elemente der Filmmusik in sich vereinigt. Zu Beginn fesseln den Zuhörer die mit raffinierter Instrumentation geschilderten Circenses, jene brutalen und sadistischen Volksbelustigungen, bei denen Nero im Circus Maximus wilde Tiere auf christliche Märtyrer hetzen ließ. Das Gebrüll der Bestien mischte sich auch in der Liederhalle mit dem Festlärm der sensationslüsternen Volksmenge. Ergreifend erklang der Choral der Todgeweihten. Leidenschaftlich schwang sich der fromme Gesang empor, brach dann abrupt ab. Schmetternde Buccinen übertönten das lähmende Entsetzen - und bald brandete wieder der ohrenbetäubende Tumult der Menge mit den majestätischen Fanfaren des Kaisers auf. Religiöse Ergriffenheit war auch beim zweiten Bild "Das Jubiläum" zu spüren. Geschildert wurde hier die bewegende Reise der Pilger in der Hoffnung, das ewige Rom zu erblicken. Man spürte, dass sie kaum das Wunder fassten, als sie vom Monte Mario auf die Kuppeln und Türme Roms hinunterblickten. Keine Grenzen kannte der impressionistische Jubel, als sie mit dem Geläut ihrer Glocken begrüßt wurden. Dan Ettinger beschwor hier das Rauschhafte und Überwältigende, dem man sich nicht entziehen konnte. Das weinselige Oktoberfest Roms wurde auch besungen, wobei man ferne Jagdsignale vernahm. Das rondartige Finale riss die Zuhörer unmittelbar mit, denn es ging dabei um die Dreikönigsnacht auf der Piazza Navona bei der Befana. Tanzrhythmen verdrängten atemberaubend Volksweisen. Parodistische Wirkungen errinnerten sogar an Strawinsky.
Jubel.