Sie hat sich entschieden, diese Konzerte mit einem modernen Fagott aufzunehmen. Diese Herausforderung sei für sie sehr groß gewesen, sagt sie. Vivaldis Fagott-Konzerte entstanden in einem wichtigen Umfeld - dem Ospedale della Pietà in Venedig. Hier konnten ausgesetzte Mädchen eine hochwertige Bildung absolvieren. An diesem Haus hatte Antonio Vivaldi kurz nach seiner Priesterweihe im Jahre 1703 als Instrumentallehrer angefangen. Schließlich übernahm er dann die Gesamtleitung des Ospedales. Gleich das erste Konzert in C-Dur RV 474 sprüht hier vor elektrisierender Musizierlaune und reizvollen chromatischen Finessen. Auch die Kantilenen des langsamen Largo-Satzes besitzen eine große Intensität des Ausdrucks.
Beim Fagottkonzert in a-Moll RV 497 besticht zudem die erstaunliche harmonische Durchsichtigkeit, die die vielen Klangfarben des Fagotts geradezu unterstreicht. Mit 250 Konzerten fällt der Hauptteil von Vivaldis Solokonzerten auf die Violine. Und in der überaus filigranen Darbeitung von Sophie Dervaux spürt man diesen musikalischen Einluss des Streichinstruments deutlich. Dies betrifft auch die Fagottkonzerte a-Moll RV 497, d-Moll RV 481 und insbesondere das geheimnisvolle Fagottkonzert in B-Dur RV 501 "La Notte", das hier einen Höhepunkt dieser Aufnahme darstellt. Al-fresco-Figurationen, präzise Tonsprache, sphärenhafter Streicherklang und dynamischer Ausdruckszauber wechseln sich dabei in wunderbarer Weise ab. Die Rätsel der Nacht werden dabei in harmonisch ansprechender und vielschichtiger Weise beschrieben. Fahles Unisono und punktierte Rhythmen deuten auf die Nacht in Venedig, die zu Vivaldis Zeiten noch düsterer und unheimlicher war wie heute. Die Streicher beschreiben die klappernden Gerippe der Gespenster. Und im erfrischend musizierten Finale wird das Aufsteigen der Morgensonne beschrieben, dessen Thema Vivaldi sogar in seiner Oper "Tito Manlio" als Arie komponiert hat. Sprünge, Triller und Laufkaskaden des Fagotts wechseln sich rasant ab.
Sophie Dervaux spielt auf einem heutigen Instrument, nicht auf einem Barockfagott, was sie ursprünglich vorhatte. Das moderne Fagott liege ihr näher, betont sie. Während ihres Studiums in Lyon hatte sie sich aber auch intensiv mit dem Barockfagott auseinandergesetzt. Bei den Fagottkonzerten in e-Moll RV 484 und in C-Dur RV 473 beeindrucken die innere Spannungskraft ebenso wie die präzis herausgearbeitete kontrapunktische Dichte sowie die ausdrucksvollen "gesanglichen" Partien, die aber nie aufgesetzt wirken. Vor allem die festliche Klangpracht kommt nie zu kurz, besticht durch harmonische Durchsichtigkeit und klangliche Transparenz. Der subjektive Empfindungsausdruck steht stets im Mittelpunkt. So gerät die Klangbalance hier auch nie aus dem Gleichgewicht. Klangliche Mischformen und Anklänge an Corelli hört man dabei ebenfalls heraus. Artikulation unbd Dynamik beeindrucken immer wieder mit klanglicher Geschmeidigkeit.