Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
ENORMER KLANGFARBENREICHTUM -- Bietigheimer Orgelherbst mit Jürgen Benkö in der katholischen Kirche St. Laurentius/BIETIGHEIM-BISSINGENENORMER KLANGFARBENREICHTUM -- Bietigheimer Orgelherbst mit Jürgen Benkö in...ENORMER...

ENORMER KLANGFARBENREICHTUM -- Bietigheimer Orgelherbst mit Jürgen Benkö in der katholischen Kirche St. Laurentius/BIETIGHEIM-BISSINGEN

08. September 2024

Wieder konnte Jürgen Benkö mit seinen Interpretationen in besonderer Weise überzeugen. Als Dekanatskirchenmusiker gestaltete er den faszinierenden Auftakt des diesjährigen "Bietigheimer Orgelherbstes". Bei "Grand Choeur dialogue" von Eugene Gigout überraschten die gut akzentuierten dynamischen Kontraste und der ausgefeilte Stil, der sich auch an den spätromantischen Werken Alexandre Guilmants orientierte. Thematische Zusammenhänge wurden facettenreich herausgearbeitet.

 

An Claude Debussy erinnerte dann die sensible Wiedergabe der "Litanies" von Jehan Alain. Impressionistische Reflexe entwickelten sich hier wie von selbst, komplex und rätselhaft erschien das sphärenhafte Klangbild. Der Urgrund des klanglichen Melos besaß immer wieder eigentümliche Farben. Dabei erfolgte die Rückführung der Melodik auf klare Motive sehr einfühlsam. Das motivische Material wurde einem ständigen Wandlungsprozess unterworfen. Entrückte Inspirationen spielten  mit schwerelosen und schwingenden Ebenen, die sich manchmal fast aufzulösen schienen.

Wunderbar kraftvoll und ungestüm interpretierte Jürgen Benkö dann Präludium und Fuge e-Moll BWV 548 von Johann Sebastian Bach, wobei die thematische Verarbeitung sich deutlich behauptete. Feingliedrige Kantabilität prägte den Satzbau, wobei auch die sensible Chromatik der Themen in reizvoller Weise hervorstach.  Herb und groß meisselte Jürgen Benkö die Klangformen heraus, wobei er den Blick für den großen Zusammenhang nie aus den Augen verlor. Die strenge Bindung des polyphonen Satzes ragte deutlich hervor. Perlende Virtuosität kennzeichnete Jürgen Benkös Interpretation, wobei die viertaktige Linie des Präludiums klare Konturen erhielt. Alles ging in eindrucksvoller Weise vom Heroisch-Pathetischen ins Lyrisch-Elegische über. Und mit Beginn des Seitensatzes löste sich der innere Druck geradezu befreiend auf.

Einen enormen Klangfarbenreichtum besaß außerdem die abschließend musizierte Phantasie und Fuge über den Choral "Ad nos, ad salutarem undam" von Franz Liszt. Rhythmisierte Akkorde schufen dabei eine elektrisierende Aura, deren Intensität immer mehr zunahm. Melodische und rhythmische Motive fügten sich nahtlos in den fließenden Klangapparat ein. Diese Musik ist ebenso genial wie improvisatorisch frei. Und die kühnen Harmonisierungen des Themas unterstrich Jürgen Benkö bei seinem farbenreichen Spiel ausgezeichnet. Die chromatischen Spannungen lösten sich dann in gewaltiger Feierlichkeit auf. Die drei Teile Fantasie, Adagio und Fuge erhielten einen überdimensionalen Spannungsbogen, den Benkö konsequent durchhielt. Das Sonatenschema der Fantasie erhielt klare Konturen, das Adagio mit seiner Fis-Dur-Tonart und der präzis gestalteten Durchführung sowie die geheimnisvolle Färbung von c-Moll nach C-Dur im triumphal endenden Fugen-Finale mit seiner monumentalen Coda beeindruckten die Zuhörer ungemein.
 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 13 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

BEWEGENDE NATURSCHILDERUNGEN -- Stuttgarter Philharmoniker mit der "Alpensinfonie" von Richard Strauss in der Liederhalle STUTTGART

"Erhabene Landschaften" standen diesmal im Mittelpunkt. Zunächst musizierten die Stuttgarter Philharmoniker unter der kompetenten Leitung von Frank Beermann die "Grand Canyon Suite" aus dem Jahre 1931…

Von: ALEXANDER WALTHER

DRAMATISCHE AUSDRUCKSKRAFT -- Neue CD "Letzte Lieder" mit Sebastian Naglatzki und Ana Miceva, beim Label Genuin erschienen

Mit ihrem Album "Letzte Lieder" widmen sich die Pianistin Ana Miceva und der Bassbariton Sebastian Naglatzki den letzten Liedkompositionen von Franz Schubert, Johannes Brahms, Hugo Wolf und Maurice…

Von: ALEXANDER WALTHER

DER TEUFELSGEIGER ALS GITARRIST -- Ensemble Visconti Plus im Schloss BIETIGHEIM-BISSINGEN

Das Visconti-Quartett wurde 2006 aus Mitgliedern der "sueddeutschen kammersinfonie bietigheim" und Lehrern der Bietigheim-Bissinger Musikschule gegründet. Der Name dieses Ensembles geht auf die aus…

Von: ALEXANDER WALTHER

BLICK IN DEN DIGITALEN ABGRUND -- Premiere "KI essen Seele auf" von Thomas Köck im Kammertheater STUTTGART

In Regie, Konzept Bühne & Kostüm von Mateja Meded taucht der Zuschauer in die bizarre Welt der Künstlichen Intelligenz immer tiefer ein, weil es die drei hervorragenden Schauspielerinnen Therese Dörr,…

Von: ALEXANDER WALTHER

MEISTER INTENSIVER KLANGFLÄCHEN -- Konzert des SWR Symphonieorchesters zum 90. Geburtstag von Helmut Lachenmann in der Liederhalle STUTTGART

Unter der inspirierenden Leitung von Francois-Xavier Roth musizierte das SWR Symphonieorchester zwei wichtige Werke zum 90. Geburtstag von Helmut Lachenmann, der beim Konzert anwesend war. Zunächst…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑