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Ein Wurm kommt selten allein

"Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller im Düsseldorfer Schauspielhaus

Ferdinand und Luise lieben sich innigst. Alles wäre bestens, wären da nicht die Standesunterschiede zwischen Bürgerlicher und Adeligem. Luise ist die Tochter eines Stadtmusikanten, Ferdinand der Sohn von Präsident von Walter. Dieser möchte, dass Ferdinand Lady Milford, die Mätresse des Fürsten, heiratet. Ferdinand weigert sich. Sein Vater spinnt daher zusammen mit seinem Sekretär Wurm eine Intrige, um ihn von seiner Liebe zu Luise abzubringen. Er lässt Luises Vater Miller verhaften und zwingt Luise dazu, einen Brief zu schreiben, den er Ferdinand in die Hände spielt, um in ihm Zweifel an ihrer Liebe zu wecken.

In seiner Inszenierung für das Schauspielhaus Düsseldorf bringt Andreas Kriegenburg Schillers bürgerliches Trauerspiel zu neuem Leuchten. Die Rolle der Mutter hat er ganz gestrichen, dafür bringt er Wurm im Doppelpack. Die Rolle des Hofmarschalls von Kalb hat er mit einer Frau besetzt. Die intriganten Hofschranzen werden bei ihm zu komischen Figuren. Dank der Verknappung des Textes gelingt es ihm jedoch, die Schönheit von Schillers sprachgewaltiger Ausdrucksweise herauszustreichen. Auch für das Bühnenbild zeigt er sich verantwortlich. Dieses ist ganz in Weiß gehalten, mit weißem Boden und weißen Vorhängen, in denen sich die Protagonisten verwickeln dürfen. Ein Musiker (Ingo Schröder), mal die Bassgitarre, mal eine Elektromandoline spielend, und ebenfalls ganz in Weiß gekleidet, begleitet das Bühnengeschehen.

Kriegenburg hat sein Hauptaugenmerk auf die Liebesgeschichte gelegt, die sozialen und politischen Komponenten spielen eher eine untergeordnete Rolle. Allzu verständlich, da die von Schiller kritisierten gesellschaftlichen Verhältnisse nur noch historisch zu betrachten sind. So ist denn seine "Kabale und Liebe"-Version in einer genussorientierten Jetztzeit angesiedelt.

Janina Sachau als Luise ist erfrischend in ihrer verliebten Unbekümmertheit. In einer stummen, choreographierten Szene begehrt sie aber auch gegen den Vater (Götz Schulte als manchmal ratloser Miller) auf. Sie ist sich als einzige ihrer Handlung bewusst und ist so klug, zu erkennen, welche Absichten die jeweils anderen verfolgen. Aber gegen den Lauf des Schicksals kann auch sie sich nicht wehren. Daniel Christensen als Ferdinand ist eher Romeo als Mayor. Xenia Snagowski als Lady Milford ist hier mehr hippe High Society Lady als erfahrene Mätresse. Katrin Röver als eitler Hofmarschall von Kalb scheint ebenso einer oberflächlichen Partygesellschaft anzugehören. Matthias Leja als Präsident von Walter ist etwas schmierig und manchmal so tumb, dass man sehr gut versteht, dass er an seinen Posten nur durch dubiose Machenschaften gekommen ist. Daniel Graf und Thiemo Schwarz als Wurm sind die synchronisierte Intrige.

Entgegen Schillers Original, aber seinem Schwerpunkt gemäß, beendet Kriegenburg das Stück vor der letzten Szene. Luise stirbt durch das Gift, das Ferdinand ihr verabreicht hatte, er selbst jedoch hat zu wenig Gift genommen und lebt weiter. Wurm, von Kalb und Präsident von Walter werden nicht zur Rechenschaft gezogen.

Ein neuer Blick auf Schiller in einer überaus spritzigen, gelungenen Inszenierung.

Inszenierung: Andreas Kriegenburg

Bühne: Andreas Kriegenburg

Kostüme: Marion Münch

Musik: Ingo Schröder

Darsteller: Daniel Christensen, Daniel Graf, Matthias Leja, Katrin Röver, Janina Sachau, Thiemo Schwarz, Götz Schulte, Xenia Snagowski

Premiere am 18. April 2009

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