Im Mittelpunkt des Dramenkomplexes über die Ablösung und Ermordung Heinrichs VI. aus dem Hause Lancaster durch die Familie der Yorks, die Machtergreifung Richards III. und dessen Ende, das zur Beilegung des Bürgerkrieges unter der Herrschaft der Tudors führt, steht die Frage: "Wie regiert werden, durch wen, bis zu welchem Punkt, zu welchen Zwecken und mit welchen Methoden?" In der Literatur des sechzehnten Jahrhunderts wird ein Bild vom politischen Herrscher und selbstbewussten Individuum entworfen, das bis heute gilt: körperlich fit, geistig rege, nur sich selbst verantwortlich, kämpferisch, kreativ, kontrolliert.
Diesem Bild entsprechen die beiden zentralen Figuren der Rosenkriege Heinrich und Richard auf unterschiedliche Weise nicht - sie sind Grenzgänger. Heinrich VI. wird als Nachfolger des früh verstorbenen und aufgrund seiner militärischen Erfolge heroisierten Heinrich V. bereits im Kleinkindalter gekrönt, während der spätere Richard III. als verkrüppelter jüngster Sohn einer Familien-Linie, die noch nie einen König gestellt hat, seine Karriere an einem hierarchisch denkbar machtfernen Punkt beginnt. Während der ins Zentrum der Macht geborene Heinrich zeit seines Lebens um Souveränität jenseits der gängigen Herrschaftsvorstellungen kämpft und politisch scheitert, ist Richard, der self-made man, der ohne Skrupel die Macht erobert, in dem Augenblick am Ende, in dem er sein Ziel erreicht hat. Beide Figuren und ihr Scheitern müssen als Kritik am männlichen Vollständigkeits-Ideal aufgefasst werden, an dem sie gemessen werden. Beide überschreiten dieses Ideal: Heinrich in der Verweigerung, Richard in der spielerischen Indienstnahme für die eigenen Zwecke. Im Bürgerkrieg, in dem die Väter und die Söhne einander gegenseitig erschlagen, ist die Perversion des männlich-hierarchischen Prinzips beständig präsent.
Die Heinrich-Dramen werden in der Neu-Übersetzung von Albert Ostermaier aufgeführt, Richard III. in der Übersetzung von Thomas Brasch.
Die Rosenkriege
von William Shakespeare
Deutsch von Albert Ostermaier und Thomas Brasch
Regie: Stephan Kimmig
Bühne: Martin Zehetgruber
Kostüme: Heide Kastler
Musik: Philipp Haagen
Licht: Friedrich Rom
Kämpfe: Klaus Figge
Musikalische Einstudierung: Hannes Marek
Dramaturgie: Sebastian Huber