Ihr Erscheinen löst ungläubiges Staunen, erregte Debatten und schließlich angstvolle Panik aus. Doch es kommt noch schlimmer: Vor aller Augen beginnen sich Menschen in Dickhäuter zu verwandeln, die „Rhinozeritis“ greift um sich, findet immer mehr Anhänger. Am Ende kann sich nur der unscheinbare Angestellte Behringer dem Spuk entziehen. Doch ist auch er kein
Held, denn auch er hätte sich nur allzu gerne ebenfalls in ein Nashorn verwandelt. Allein: Es gelang ihm nicht. So steht er da als unfreiwilliger Weltretter, als trauriger Narr inmitten einer aus freien Stücken gleichgeschalteten Gesellschaft.
Eugène Ionescos Schauspiel „Die Nashörner“, 1959 in Düsseldorf uraufgeführt, zeigt eine Gesellschaft im Wandel. Dieser Wandel allerdings ist nicht von politischen Überzeugungen getragen. Er wird auch nicht bewirkt durch Gewalt oder äußere Not. In dem Stück finden keine Reformen und schon gar keine Revolutionen statt. Was Ionesco beschäftigt, ist ein Wandel, der von innen kommt: ein Wandel durch Anpassung. Die Mechanik eines solchen Massenwahns, wie er sich in Diktaturen, aber auch in vermeintlich freien Gesellschaften zeigt, entfaltet der Autor im Stile des Absurden Theaters: skuril, bitterbös und bodenlos komisch.
Lange war das Stück nicht mehr in den Theaterspielplänen vertreten, nun ist es am Stadttheater Gießen in der Inszenierung von Thomas Goritzki zu sehen, der eine erzählende Spielweise und das Stilmittel des Absurden und der Groteske in ein feinnerviges Spannungsverhältnis setzt. Phantasievoll illustriert die Produktion die allmähliche Verwandlung einer Kleinstadt in ein Dickhäuter-Reservat und lädt dazu ein, das Geschehen, durch persönliche Emotionen und Eindrücke geprägt, aus der Perspektive des Protagonisten zu
erleben.
Inszenierung: Thomas Goritzki |
Bühne und Kostüme: Heiko Mönnich |
Mit: Christin Heim, Kyra Lippler, Irina Ries, Carolin Weber; Frerk Brockmeyer,
Isaak Dentler, Christian Fries, Rainer Hustedt, Roman Kurtz, Johannes Lang,
Benjamin Strecker