Weibliche List soll nun helfen, den Grafen umzustimmen, denn es ist bekannt, dass er seiner Jagdleidenschaft nicht nur im Tierreich, sondern auch in der außerehelichen Damenwelt nachgeht. Gretchen, die Braut des Schulmeisters, bietet sich an, den Auftrag zu übernehmen, doch ist das wiederum nicht in Baculus’ Sinne. Eine andere Lösung muss her. Die gipfelt schließlich darin, dass ein Baron dem Schulmeister fünftausend Taler für Gretchen bietet. Wird Baculus dieses Angebot annehmen?
Gustav Albert Lortzing wurde am 23. Oktober 1801 in Berlin als Kaufmannssohn geboren, kam aber offensichtlich gar nicht erst in die bürgerlich kaufmännische Welt, sondern von Anfang an in die schöne Scheinwelt der Musikanten und Gaukler, da die Eltern den Schritt vom Laien- zum Berufsschauspieler gingen. Als 10- bis 14-Jähriger genoss er das Wanderleben. Schulbildung im eigentlichen Sinne gab es genauso wenig wie ein Musikstudium. Seine Schule war der Theaterbetrieb. Schon früh stand er selbst auf den Brettern, zunächst in Kinderrollen, später als jugendlicher Liebhaber und Buffo (vornehmlich im Tenorfach, aber bei Not am Mann auch als Bariton oder Bass), half im Orchester aus (vor allem als Cello-Spieler) und komponierte erste eigene Stücke. 1823 heiratete er eine Schauspielerin und gelangte gemeinsam mit ihr über Detmold nach Leipzig. Hier komponierte er 1835 seine erste komische Oper „Die beiden Schützen“. Weitere folgten, darunter „Zar und Zimmermann“ und „Der Wildschütz“. Zwar hatte er Erfolg als Komponist, von den Größen der „Branche“ - Mendelssohn, Schumann und Wagner wirkten zeitgleich in der Pleißestadt - wurde er jedoch ignoriert. Wirkliche finanzielle Sicherheit gab es in seinem Leben nie. Lortzing starb am 20. Januar 1851 in Frankfurt / Main.
Das Sujet
Als Vorlage für seinen „Wildschütz“ benutzte Lortzing August von Kotzebues Stück „Der Rehbock oder Die schuldlosen Schuldbewussten“ aus dem Jahre 1815, das das Publikum bei seiner Uraufführung gleichermaßen angezogen wie abgestoßen und einen Berliner Rezensenten zu der abfälligen Bezeichnung „Wolllustspiel“ angehalten hatte. Kotzebue, der einer der erfogreichsten Autoren der Zeit war, wurde 1819 von dem Theologiestudenten und Jenaer Burschenschafter Carl Ludwig Sand mit der Begründung ermordet, er sei „… der Verführer unserer Jugend, der Schänder unserer Volksgeschichte.“ Mit Kotzebues Tod verschärfte sich die politische Lage, und Lortzing musste sich in seinem „Wildschütz“ mit einer verschärften Zensur auseinandersetzen.
Vom „Rehbock“ zum „Wildschütz“
Was sich auf den ersten Blick als harmlose Biedermeier-Komödie präsentiert, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als durchaus nicht harmlose Satire auf das amouröse Doppelleben des Adels, auf Brautschacher, auf das Lechzen des Adels nach dem fröhlichen Landleben und das Schielen des Volkes nach den Talern der Reichen, und es wird schnell klar, dass Lortzing in der Zeit des Vormärz, eine Zeit des Aufbegehrens, die den politischen Gegenpart zum Biedermeier darstellt, einen Drahtseilakt zwischen Erlaubtem und Verbotenem meistern musste. Der Erfolg der Uraufführung der Oper am Silvesterabend 1842 in Leipzig mit Lortzing selbst als Baculus zeigt, dass ihm diese Gratwanderung mit Bravour gelungen ist.
Die Musik
Der Erfolg des „Wildschütz“ ist zu einem großen Teil Lortzings Musik zu danken, ihrem lockeren Ton, ihrer geschmeidigen, einprägsamen Melodik sowie ihrer Situationskomik und Charakterisierungskunst. Vor allem in den Ensembles ist sehr stark die Vorbildwirkung Mozarts zu spüren. Berühmt ist die Billardszene, in der die Rivalität zwischen Graf und Baron um das vermeintliche Gretchen exzellent musikalisch ausgedrückt wird, gekontert von Baculus’ Choralzitat „Wach auf, mein Herz, und singe“. Aber auch die Arie des Schulmeisters „Fünftausend Taler“, das „ABC-Lied“, die Arie des Grafen „Heiterkeit und Fröhlichkeit“ oder der von Baculus einstudierte Kinderchor zu Ehren des Grafen mit dem anspruchsvollen Textbeginn „O du, der du die Tugend selber bist!“ geben Beispiele für Lortzings hinreißende Kompositionsweise.
Nach einem Lustspiel von August von Kotzebue
- Koproduktion mit der Oper Bonn -
Premiere: 12. Juni 2010, 19.30 Uhr, Opernhaus Chemnitz
Musikalische Leitung: Domonkos Héja
Regie: Dietrich Hilsdorf
Co-Regie: Ralf Budde
Bühnenbild: Dieter Richter
Kostüme: Renate Schmitzer
Julian Orlishausen (Graf), Tiina Penttinen (Gräfin), André Riemer (Baron), Judith Kuhn (Baronin), Philipp Meierhöfer (Baculus), Susanne Thielemann (Gretchen), Elzbeta Laabs (Nanette), Thomas Mäthger (Pankratius)