„Macbeth“ ist Jürgen Goschs sechste Inszenierung am Düsseldorfer Schauspielhaus. Jede einzelne war auf ihre Weise herausragend. Das Gorki-Stück „Sommergäste“ wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen und als beste Inszenierung des Jahres 2004 ausgezeichnet. Ob man als Zuschauer auf eine Arbeit von Gosch mit Zustimmung oder Ablehnung reagiert – man tut es immer mit persönlicher Betroffenheit, man ist auf seltsame Weise im Innersten berührt. Das kommt wohl daher, dass Gosch mit einer totalen Kompromisslosigkeit seinen eigenen Visionen von der Umsetzung eines Stückes folgt. Er macht keine Konzessionen an ästhetische Weichzeichnungen, er dringt immer vor zum nackten Kern der Antriebskräfte, die tief in den Menschen wirken und sie mit ungeheurer Wucht zueinander oder gegeneinander hetzen.
„Macbeth“ ist in seiner finsteren Brutalität eine der genialsten dramatischen Untersuchungen destruktiver menschlicher Grundeigenschaften. Heute nennt man sie Killerinstinkte, für Shakespeare sind sie untrennbar verbunden mit dem Streben nach Macht, und sie werden meistens nicht Halt machen, bis sie ein schreckliches Zerstörungswerk vollbracht haben. Der Mensch ist aber auch, im Gegensatz zum Raubtier, ein Wesen mit Gewissensbissen. Deshalb wird er sich seiner durch Mord und Totschlag errungenen Macht nie wirklich erfreuen können, sondern sich durch Selbstvorwürfe schwächen bis zum Untergang.
Macbeth, der Kriegsheld, kehrt mit Banquo vom Schlachtfeld heim und begegnet drei Hexen. Die drei prophezeien, dass Banquo zwar Stammvater eines Königsgeschlechtes, Macbeth aber selbst König sein wird. Der Gedanke an die Krone lässt Macbeth keine Ruhe, er berichtet seiner Frau von dem nächtlichen Zusammentreffen und entzündet in ihr die Gier nach der Macht fast heftiger noch als in sich selbst. Wenig später ist der amtierende König Duncan bei den Macbeths zu Gast. Sie ermorden ihn, lenken den Verdacht auf die Königswächter und töten auch sie. Macbeth wird tatsächlich zum Herrscher ausgerufen, aber längst ist er in einen Kreislauf von Gewalt verstrickt, der ihn und seine Lady zu immer neuen Morden und Anfällen von Gewissensqualen stachelt, bis zum bitteren, von den Hexen vorausgesagten Ende.
Sicher ist das Stück noch nie mit einer so ungeheuerlichen Konsequenz inszeniert worden wie von Jürgen Gosch. Er verteilt die Rollen auf sieben Spieler. Außer Macbeth (Thomas Dannemann) und Lady Macbeth (Dewid Striesow) agieren fünf Männer, die jeweils verschiedene Figuren verkörpern.
Die Bühne ist ein hässlicher, erbärmlicher, kahler, schwarzer Ort. Die Menschen kehren buchstäblich ihr Innerstes, das heisst hier ihre furchtbarsten Eigenschaften, nach außen. Dabei sind sie meistens nackt. Wenn sie etwas anhaben, streifen sie es bei der nächsten Gelegenheit ab, als sei es hinderlich, ich dachte, am liebsten würden sie sich noch die Haut herunterreißen und ihre Eingeweide bloßlegen. Es wird gepinkelt und geschissen, es wird gehauen, gestochen, getötet und geblutet. Der bloße Körper als Schaubild der Instinkte. Des Menschen Seele ist reduziert auf ihre abscheulichsten Regungen. Gleichzeitig sind diese Lebewesen fähig zu höchst differenzierten Gedankengängen und zu einer Sprache, die in ihrer Großartigkeit einmalig ist.
All dies bringt der Regisseur Gosch mit seiner rücksichtslosen, im Inneren der Grauenhaftigkeit wühlenden Gestaltung zum Ausdruck.Gleichzeitig ist er immer ganz nah bei Shakespeare und interpretiert das Stück mit einer harten, grausamen Vollkommenheit.
Die Premiere war ein Skandal, der viele Besucher von den Sitzen und aus dem Theater riss. Inzwischen wurde die Produktion zur Kultveranstaltung, die das Publikum scharenweise ins Theater und zu Beifallstürmen treibt.
Brecht sagte einmal, „man kann auf der Bühne alles machen – wenn man es kann.“ Jürgen Gosch kann es, ebenso die sieben bewundernswerten Schauspieler, die mit einer Wildheit, Offenheit, Schamlosigkeit und Hingabe agieren, die atemberaubend ist.
Premiere September 2005 im Düsseldorfer Schauspielhaus, Vorstellungen nach wie vor auf dem laufenden Spielplan