Dennoch lebte Ljubow Andrejewna Ranjewskaja in Paris auf großem Fuß nach gewohnter herrschaftlicher Manier. Sie war nach dem Tod ihres Mannes und dem tragischen Ertrinken ihres kleinen Sohnes im nahegelegenen Fluss von dem Gut geflohen, um nicht mehr an die traumatischen Ereignisse erinnert zu werden. Ihr neuer Mann lebte auf ihre Kosten und zog zu einer anderen, als es nichts mehr zu holen gab. Dennoch gibt sich die Ranjewskaja immer noch so, als wäre alles, wie es immer war.
Anja, die Tochter der Gutsbesitzerin, hat ihre Mutter zurückgeholt, denn das bankrotte Gut soll versteigert werden. Der reiche Kaufmann Lopachin, Sohn von einstmals leibeigenen Bauern des Gutes, der sich mit Klugheit und Fleiß emporgearbeitet hat, hat eine Idee, wie der Besitz noch zu retten wäre: Man könnte das riesige Grundstück parzellieren, um Sommerhäuser für die Städter darauf zu bauen. Dafür müsste man allerdings den Kirschgarten abholzen. Ein Geschäft, auf das sich die Ranjewskaja nicht einlassen will. Sie möchte lieber nach der althergebrachten Art des Adels die finanziellen Probleme mit einer lukrativen Hochzeit lösen und ihre Pflegetochter Warja mit Lopachin verheiraten. Doch die Zeiten haben sich geändert.
Stanislawski, der selbst den Lopachin in der Moskauer Uraufführung im Januar 1904 spielte, telegrafierte nach der ersten Lektüre an den Autor: »Habe soeben das Stück gelesen. Bin erschüttert, komme gar nicht zur Besinnung. Eine Begeisterung wie noch nie. Halte das Stück für das Beste von allem Schönen, das Sie je geschrieben haben«. Leider sollte es Anton Tschechows letztes Werk bleiben. Im Juli 1904 starb er im Alter von nur 44 Jahren an den Folgen einer langjährigen Tuberkulose-Erkrankung.
Voller Leichtigkeit und Ironie und mit einem guten Gespür für groteske Situationen und Charaktere beschreibt Tschechow eine Gesellschaft im Übergang, in der die Protagonisten nicht wahrhaben wollen, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Die neuen Helden und Glücksritter haben aber auch keine Antworten auf die existenziellen Fragen: Sie holzen den Garten ab, machen Grund und Boden zu Geld oder schwadronieren vom besseren Menschen. 120 Jahre alt ist Tschechows »Kirschgarten«. Kaum zu glauben angesichts der Allgemeingültigkeit der Konflikte, die diesen Text über den zeitgeschichtlichen Hintergrund des Stückes hinaus zu einem Werk der Weltliteratur machen.
Aus dem Russischen von Werner Buhss
Regie Axel Vornam
Ausstattung Tom Musch
Licht Harald Emrich
Dramaturgie Dr. Mirjam Meuser
Theaterpädagogik Natascha Mundt
MIT
Sabine Fürst (Gast) (Ljubow Andrejewna Ranjewskaja, Gutsbesitzerin)
Romy Klötzel (Anja, ihre Tochter)
Juliane Schwabe (Warja, ihre Adoptivtochter)
Oliver Firit (Leonid Andrejewitsch Gajew, Bruder der Ranjewskaja)
Sven-Marcel Voss (Jermolai Alexejewitsch Lopachin, Kaufmann)
Lennart Olafsson (Pjotr Sergejewitsch Trofimow, Student)
Tobias D. Weber (Boris Borissowitsch Simeonow-Pischtschik, Gutsbesitzer)
Sabine Unger (Charlotta Iwanowna, Gouvernante)
Gabriel Kemmether (Semjon Pantelejewitsch Jepichodow, Kontorist)
Leonie Berner (Dunjascha, Stubenmädchen)
Stefan Eichberg (Firs, Diener)
Felix Lydike (Jascha, junger Diener)
Termine
Fr 26.04.2024 19:30 Uhr
Fr 03.05.2024 19:30 Uhr
Fr 10.05.2024 19:30 Uhr
So 12.05.2024 19:30 Uhr
Di 21.05.2024 19:30 Uhr
Sa 25.05.2024 19:30 Uhr
So 02.06.2024 15:00 Uhr
Mi 05.06.2024 19:30 Uhr
Do 06.06.2024 19:30 Uhr
Sa 08.06.2024 19:30 Uhr
Mi 19.06.2024 19:30 Uhr
Sa 22.06.2024 19:30 Uhr
Do 11.07.2024 19:30 Uhr
Di 16.07.2024 19:30 Uhr
Mi 17.07.2024 19:30 Uhr