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2. SPOKEN ARTS FESTIVAL in Stuttgart | Die Zeit von 1933 bis 1945 unter dem Motto „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen!“

vom 8. bis 13. Dezember 2023

Als das 2. SPOKEN ARTS FESTIVAL konzipiert wurde, konnte niemand die Geschehnisse vom und seit dem 7. Oktober 2023 ahnen. Doch was wir täglich in den Nachrichten lesen, zeigt uns einmal mehr, wie zeitlos und gleichzeitig zeitgenössisch der Kampf gegen die Unmenschlichkeit ist. Gleichgültig ob ihn die Künstler*innen führen, die in den 30-er und 40-er Jahren ins Exil gingen, oder ukrainische Geflüchtete, die sich heute von Deutschland aus für ihr bedrohtes Heimatland engagieren.

 

Copyright: Roman Novitzky

 Das der Sprache und ihren Schwesterkünsten gewidmete Festival hält auch diesmal an seinem ambitionierten Prinzip fest: Jeder Abend ist ein Solitär und wird eigens für SPOKEN ARTS entwickelt. Literarische Programme mit Werken von Bertolt Brecht, Mascha Kaléko, Peter Weiss oder Else Lasker-Schüler werden ergänzt durch dokumentarische Formate und wissenschaftliche Vorträge. Den Bogen zum unmittelbaren Zeitgeschehen spannen die ukrainischen Theatermacher Oleksandr Seredin und Stas Zhyrkov. Erschütternde Aktualität hat freilich auch der Abschlussabend des Festivals am 13. Dezember 2023 gewonnen. Die Lesung der Holocaust-Überlebenden Eva Umlauf, Ernst Grube, Leon Weintraub und Eva Szepesi macht uns das noch einmal bewusst.

Das SPOKEN ARTS FESTIVAL schlägt Brücken – zwischen dem Wort und den anderen darstellenden Künsten ebenso wie von der Vergangenheit zur Gegenwart. Verantwortlich für das Programm ist Joachim A. Lang, renommierter Filmregisseur (George, Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm, in Kürze: Führer und Verführer, John Cranko) und langjähriger Leiter des Brechtfestivals Augsburg. Im Fokus der ersten Ausgabe 2022 standen die 1920er Jahre. In dem als Trilogie angelegten Festival folgt nun Teil zwei, die Zeit zwischen 1933 bis 1945, im kommenden Jahr dann die unmittelbare Nachkriegszeit und die sogenannte Stunde Null.

Der Premierencharakter in Kombination mit den herausragenden Künstlerpersönlichkeiten ist dabei Teil der DNA von SPOKEN ARTS. Denn die Programme sind ausschließlich „Maßanfertigungen“ für das Festival, die häufig von den Künstler*innen selbst entwickelt wurden.

SPOKEN ARTS FESTIVAL 2023: Das Programm

Freitag, 8. Dezember 2023 um 19:30 Uhr, Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle, Mozartsaal
Moderiert von der TV-Journalistin und Autorin Arta Ramadani, umreißt das festliche Opening unter dem Thema „Exil“ mit Musik, Tanz, Lesungen und Theater den geschichtlichen Rahmen von 1933 bis 1945 und stimmt ein auf die folgenden fünf Festival-Tage. Den roten Faden des Abends liefert Bertolt Brechts Kriegsfibel. Mit von der Partie sind der Schauspieler Thomas Thieme (Das Leben der Anderen, Der Untergang), Katharina Schüttler (Sophiiiie!, Unsere Mütter, unsere Väter), Kammersängerin Helene Schneiderman (langjähriges Ensemble-Mitglied der Staatsoper Stuttgart), der Pianist und Brecht-Weill-Experte Geoffrey Abbott, Sängerin und Stimmcoach Isabell Münsch sowie Gauthier Dance//Dance Company Theaterhaus Stuttgart mit der getanzten Todsünde Zorn aus dem Konzeptabend The Seven Sins. Eingebunden ist auch die nächste Generation: Ein Kindersprechchor der Merz Schule Stuttgart präsentiert ein eigenes Projekt zu Bertolt Brechts Gedicht Kinderkreuzzug, das in Zusammenarbeit mit dem Wortkünstler Timo Brunke entsteht.

Samstag, 9. Dezember 2023 um 15:00 Uhr, Haus der Geschichte
Thomas Weber, Professor für Geschichte und internationale Politik an der University of Aberdeen, hat mit bahnbrechenden Studien zu den frühen Jahren Adolf Hitlers maßgeblich zum Verständnis des Nationalsozialismus beigetragen. Sein Vortrag gibt Einblicke in seine aktuelle Forschung, die nicht relevanter sein könnte: den sogenannten information warfare, also die Kriegsführung via fake news und manipulierten Informationen.

Samstag, 9. Dezember 2023 um 17:00 Uhr, Haus der Geschichte
In seinem Vortrag „Pragmatik des Widerstands“ stellt der Litaturwissenschaftler Prof. Jürgen Wertheimer Mittel der Revolte auf den Prüfstand, die bis heute mit einem Tabu belegt sind – Desertion und Tyrannenmord. Ein Debattenbeitrag in einer sensiblen Zone: Wie kann man, wie darf man Unterdrückung und Ungerechtigkeit wirksam bekämpfen?

Samstag, 9. Dezember 2023 um 19:30 Uhr, Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle, Schillersaal
Die Gewalt der Worte: Die Doppeldeutigkeit, die in diesem Ausdruck steckt, wird nirgendwo besser erkennbar als in den politischen Ansprachen der 30-er und frühen 40-er Jahre. In Reden in finsteren Zeiten machen Claudia Michelsen und Robert Stadlober diesen Kontrast zum Programm. Der Propaganda des Terrors und der Vernichtung mit Reden von Hitler und Goebbels stellen sie die utopische Kraft des Humanismus gegenüber. Zum Widerstand rufen unter anderem  Mahatma Gandhi, Thomas Mann und Winston Churchill auf. Musikalisch begleitet wird der Abend von Yuri Aoki (Klavier) und Risa Matsushima (Gesang). Für die Beratung im Vorfeld und die wissenschaftliche Einordnung live auf der Bühne zeichnet der Historiker und 20. Jahrhundert-Experte Thomas Weber (Becoming Hitler) verantwortlich. Einleitende Worte spricht Dr. Michael Blume, Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus.

Samstag, 9. Dezember 2023 um 20:30 Uhr, BIX Jazzclub
Groove is in the Heart heißt nicht nur so – es ist tatsächlich eine Herzensangelegenheit. Die charismatische Jazzsängerin Fola Dada und die Projekt-Band mit Joo Kraus (trumpet), Ulf Kleiner (piano), Joscha Glass (bass) und Tommy Baldu (drums) haben einen Soul-Sound gefunden, der direkt auf die Seele zielt. Komplettiert wird das gewohnte Line-up diesmal von einem wundervollen Gast: Jo Ambros an der Gitarre.

Sonntag, 10. Dezember 2023 um 15:00 Uhr, Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle, Schillersaal
Geflüchtete aus einem totalitären Regime, die nicht loskommen von ihren Erinnerungen und den Geistern der Toten? John Crankos letztes Ballett Spuren ist heute kaum mehr bekannt und dennoch brandaktuell. Bei seiner Uraufführung 1973 wurde die Choreographie weitgehend mit Unverständnis aufgenommen. Zwei Mitglieder des Sprechensembles der Akademie lesen ein fiktives Interview zwischen dem Choreographen und dem damaligen Generalintendanten Walter Erich Schäfer, das auf tatsächlichen Aussagen beruht. Zudem werden Aufnahmen von der Stuttgarter Neuproduktion des Balletts gezeigt. Reid Anderson, Cranko-Tänzer aus der Urbesetzung von 1973, Tamas Detrich, Intendant des Stuttgarter Balletts, und der Erste Solist Friedemann Vogel berichten in einem Gespräch von der Rekonstruktion und Wiederaufnahme eines Auszugs aus dem Stück anlässlich von Crankos 50. Todestag im Sommer 2023. Durch die Veranstaltung führt Vivien Arnold, Direktorin für Dramaturgie und Kommunikation des Stuttgarter Balletts.

Sonntag, 10. Dezember 2023 um 18:00 Uhr, Württembergischer Kunstverein
Zeit bemisst sich in der heutigen Ukraine in überstandenen Kriegstagen. Der ukrainische Theaterregisseur und Dramatiker Oleksandr Seredin hat Geschichten von Menschen gesammelt, die den Wert jeden einzelnen Tages kennen. In Die Langlebigen erzählt er vom Alltag im Krieg und vom Krieg, der Alltag geworden ist. Eine szenische Lesung mit einem deutsch-ukrainischen Ensemble unter Beteiligung des Sprechensembles der Akademie für gesprochenes Wort und Valentin Richter vom Schauspiel Stuttgart.

Sonntag, 10. Dezember 2023 um 19:30 Uhr, Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle, Schillersaal
Gemeinsam mit seinem Sohn, dem Multi-Instrumentalisten und Komponisten Arthur Thieme, wagt sich Thomas Thieme an das scheinbar Unmögliche: eine musikalisch-szenische Lesung von Peter Weiss’ 1000-seitigem Monumentalwerk Die Ästhetik des Widerstands. Regie und Textfassung übernimmt Julia von Sell.

Montag, 11. Dezember 2023, Literaturhaus Stuttgart um 19:30 Uhr
Schon kurz nach seinem Erscheinen im Herbst 2021 avancierte Daniel Schreibers ungewöhnlich tiefgründiger Essayband Allein über die Dialektik der Einsamkeit zu einem Bestseller des zweiten Pandemie-Jahrs. In seinem neuen Essay Die Zeit der Verluste geht der Autor und Übersetzer nun der Frage nach: Wie gehen wir um mit dem Bewusstsein, dass etwas unwiederbringlich verloren ist? In Kooperation mit dem Literaturhaus Stuttgart.

Montag, 11. Dezember 2023 um 20:00 Uhr, Im Wizemann, Club
Bei der Festival-Premiere 2022 bereits bestens eingeführt ist das Format Dead or Alive: Poetry Slammer*innen von heute treten in Wettstreit mit der Literatur von damals, die diesmal vom  Sprechensemble der Akademie für gesprochenes Wort zum Leben erweckt wird. In dem von Marius Loy moderierten „Poetry-Battle“ messen sich die Lebenden Meral Ziegler, Kaleb Erdmann und Julian Heun gegen die Konkurrenz aus dem Jenseits. Über die Sieger entscheidet das Publikum. Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Rosenau Kultur e.V.

Montag, 11. Dezember 2023 um 20:00 Uhr, Renitenztheater Stuttgart
Die Inszenierung behandelt die Staunen machende Geschichte von Lisa Fittko und der nach ihr benannten „F-Route“ über die Pyrenäen. Lisa Fittko, aktiv im Emergency Rescue Committee um Varian Fry, führte als Fluchthelferin zahlreiche Menschen über die Grenze nach Spanien, darunter Walter Benjamin. Auf der Grundlage ihrer 1985 im Hanser Verlag erschienenen Erinnerungen Mein Weg über die Pyrenäen hat Martin Mühleis eine dichte musikalisch-literarische Bühnenerzählung für die Schauspielerin Barbara Auer (Die Macht der Gefühle, Die innere Sicherheit), den Geiger Felix Borel sowie den Kontrabassisten und Landesjazzpreisträger Veit Hübner geschaffen. Die F-Route oder Lisas Weg ist ein anfangs sachlicher Bericht, der sich, schleichend und notwendig, zu einem Drama entwickelt. Denn nur den Wenigsten gelingt es, sich zu widersetzen und sich ihre Menschlichkeit zu bewahren.

Dienstag, 12. Dezember 2023 um 18:00 Uhr, Stadtarchiv Stuttgart
Roland Müllers Dissertation Stuttgart zur Zeit des Nationalsozialismus gilt als das Standardwerk zur NS-Geschichte der württembergischen Landeshauptstadt. In seinem Vortrag über Hans Gasparitsch (1918-2002) stellt der langjährige Leiter des Stadtarchivs eine Stuttgarter Widerstandsbiographie vor. Am 14. März 1935 pinselte der damals 17-jährige Schriftsetzerlehrling „Rotfront“ und die Parole „Hitler=Krieg“ auf die Sockel der Rossebändiger-Statuen im Stuttgarter Schlossgarten. Das mutige Graffiti brachte ihm zehn Jahre in Haft in den KZs Dachau, Flossenbürg und Buchenwald ein. Abgerundet wird der Abend von der Akademie für gesprochenes Wort. Das Sprechensemble liest aus Briefen von Hans Gasparitsch und aus Zeitdokumenten wie der Anklageschrift und dem Gerichtsurteil.

Dienstag, 12. Dezember 2023 um 19:30 Uhr, Theaterhaus Stuttgart T2
Künstlerische Langzeitbeziehung: Lars Eidinger war nicht nur selbst schon einmal Bertolt Brecht, in Joachim Langs Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm. Mit seiner musikalisch-szenischen Lesung von Brechts Hauspostille tourt er zusammen mit dem Pianisten und Komponisten Hans-Jörn Brandenburg äußerst erfolgreich durch Deutschland. Die beiden haben sich nun wieder zusammengetan und entwickeln eigens für das SPOKEN ARTS FESTIVAL einen Großen Brecht-Abend. Sein eindrückliches Motto ist ebenfalls ein Brecht-Zitat: „Das Schicksal des Menschen ist der Mensch.“

Dienstag, 12. Dezember 2023 & Mittwoch, 13. Dezember 2023 – jeweils um 19:30 Uhr, Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg in Ludwigsburg
Im April 2022 hat die Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg (ADK) acht Schauspiel-Studierende der State Academy of Culture in Charkiv aufgenommen. Ausgehend von den Biographien der jungen Geflüchteten, entwickelt Stas Zhyrkov aktuell die Abschlussarbeit für die ukrainische Schauspiel-Klasse in Ludwigsburg. Der preisgekrönte Regisseur zählt zu den wichtigsten Stimmen der ukrainischen Exilkultur und inszeniert unter anderem an den Münchner Kammerspielen, am Berliner Ensemble und an der Schaubühne Berlin. Der Aufenthalt und das Gaststudium wurde mit dem BW-Stipendium der Baden-Württemberg Stiftung, der Berthold Leibinger Stiftung und der Eva-Mayr Stihl Stiftung finanziell unterstützt.

Mittwoch, 13. Dezember 2023 um 19:30 Uhr, Theaterhaus Stuttgart T2
„Die letzte Generation“ der Zeitzeugen beschließt das SPOKEN ARTS FESTIVAL 2023. Die Holocaust-Überlebenden Eva Umlauf (Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen), Ernst Grube (Den Stern, den tragt Ihr nicht. Kindheitserinnerungen an die Judenverfolgung in München), Leon Weintraub (Die Versöhnung mit dem Bösen. Geschichte eines Weiterlebens) und Eva Szepesi, (Ein Mädchen allein auf der Flucht. Ungarn – Slowakei – Polen (1944–1945)) lesen aus ihren Erinnerungen. Dass diese Vergangenheit „nicht einmal vergangen“ ist, haben uns die Pogrome durch die Hamas erst kürzlich auf traumatische Weise vor Augen geführt.

Über die Akademie für gesprochenes Wort – Uta Kutter Stiftung
Von Prof. Uta Kutter im Jahr 1993 gegründet, hat sich die Akademie für gesprochenes Wort der Förderung von Sprache und Dichtung als Live-Erlebnis verschrieben. Die Akademie vermittelt die Kultur der freien Rede, des Dialogs und der Diskussion und nimmt dabei vor allem die Sprech- und Vortragskunst in den Blick. Das Kulturangebot umfasst künstlerische Programme – häufig entwickelt und aufgeführt vom Sprechensemble der Akademie –, Seminare und Vortragsreihen sowie die Biennale Internationale Stuttgarter Stimmtage und das SPOKEN ARTS FESTIVAL.
Mehr unter: www.gesprochenes-wort.de

*****

Das SPOKEN ARTS FESTIVAL findet vom 8. bis 13. Dezember 2023 statt.
Idee und Konzeption: Annikke Fuchs-Tennigkeit, Uta Kutter, Joachim A. Lang
Künstlerische Leitung: Joachim A. Lang.
Veranstaltet von der Akademie für gesprochenes Wort
Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Baden-Württemberg Stiftung, der Landeshauptstadt Stuttgart, der Wüstenrot Stiftung, der Martin-Schmälzle-Stiftung sowie der Josef Wund Stiftung.

Eine Veranstaltung der Akademie für gesprochenes Wort, Stuttgart
Künstlerische Leitung: Joachim A. Lang
Locations: Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle, Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Württembergischer Kunstverein, BIX Jazzclub, Literaturhaus Stuttgart, Renitenztheater Stuttgart, Im Wizemann, Stadtarchiv Stuttgart, Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg in Ludwigsburg, Theaterhaus Stuttgart

Tickets und das komplette Programm unter: www.spoken-arts-festival.de

 

 

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