In seinen Inszenierungen von Frischs „Graf Öderland“ und Tschechows „Iwanow“ und „Der Kirschgarten“ spielte sie zentrale Rollen, doch auch bei anderen wichtigen Regisseuren der Zeit war sie Protagonistin: Erwin Piscator, Fritz Kortner, Niels-Peter Rudolph und seit 1970 Dieter Dorn, dem sie 1980 an die Münchner Kammerspiele folgte und so, in 20 Jahren dort und in acht Jahren im Ensemble des Bayerischen Staatsschauspiels, zu einer Größe des Münchner Theaterlebens und einer prägenden Figur des deutschen Theaters wurde. Über Jahrzehnte war sie in fast jeder der großen Dorn-Inszenierung zu sehen: als Protagonistin der großen antiken Tragödien („Die Perser“, „Hekabe“) und der deutschen Klassik („Iphigenie auf Tauris“, „Torquato Tasso“, „Prinz Friedrich von Homburg“), als Shakespeare-Darstellerin („Was ihr wollt“, „König Lear“, „Der Sturm“, „Cymbelin“), in Stücken der klassischen Moderne („Glückliche Tage“) und immer wieder in neuen Stücken von Botho Strauß. Ihre letzten großen Rollen im Residenz Theater waren die Mutter in Genets „Wänden“ (2003), Lissie Kelch in der Uraufführung von Botho Strauß’ „Die eine und die andere“ und die Chorführerin in Euripides’ „Bakchen“. Neben ihrer Arbeit auf der Bühne war Gisela Stein auch eine glänzende Leserin; ihr Herzensprojekt war die Rezitation der Bibel in der Übersetzung von Buber und Rosenzweig.
Preise und Auszeichnungen (Auswahl):
Trägerin des Tilla-Durieux-Schmucks 1977
Deutscher Kritikerpreis 1988
Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst 1999
Oberbayerischer Kulturpreis 2001
Hermine-Körner-Ring 2004
Mitglied der Akademie der Künste, Berlin und Bayerischen Akademie der Schönen Künste
Dieter Dorn:
„Gisela Stein war in ihrer langen Zeit an den Münchner Kammerspielen und am Bayerischen Staatsschauspiel eine zentrale Figur der Ensembles und verstand sich immer als Ensembleschauspielerin im Dienst des Theaters, dem sie ihr Leben und all ihre viele Kraft gewidmet hat. Wir haben uns in einem ununterbrochenen künstlerischen Streit befunden, positiv und von gegenseitigem Respekt und Zuneigung geprägt. Aus ihm sind alle unsere Versuche entstanden, klassischer und moderner Theaterliteratur gerecht zu werden. Gisela Steins sprachliche Ausdrucksfähigkeit war unvergleichlich, ob in der Versrede der antiken Tragödie oder der wirklichkeitsnahen Sprache zeitgenössischer Autoren. Was die Sprache angeht, sind wir gemeinsam bis zum Äußersten gegangen. Wir haben ein ganzes Leben auf der Bühne verbracht und uns dabei immer aufeinander verlassen können – es fällt schwer, nach einer solchen lebenslangen gemeinsamen Arbeit einzelne Stücke und Rollen hervorzuheben. Die Begegnung mit Gisela Stein war eine der wichtigsten meines Theaterlebens.“