Immerzu aber gibt es auch die Stimmen in Woyzecks Kopf. Die ihm noch ganz andere Dinge einsagen, die er tun soll: Das Karussell dreht sich immer schneller und schneller unter einem großen Mond, der rot ist „wie ein blutig Eisen“. Ruhe gibt es kaum für Woyzeck. Aber wenn er zur Ruhe kommt, sind da immer noch diese Stimmen, dann flüstert sogar die Erde auf den Feldern. Diese Stimmen erzählen ihm auch vom Tambourmajor, der es auf Marie abgesehen habe. Woyzeck versucht zu fliehen. Den Hauptmann, den Doktor und diese Stimmen. Aber sie holen ihn ein. Und Marie wird eingeholt von Woyzecks Eifersucht. „Der Mensch ist ein Abgrund.“
1821 erstach Johann Christian Woyzeck seine Geliebte, die Witwe Woost, in der Leipziger Vorstadt. Er war bereits in Leipzig in die Lehre gegangen, und nach Jahren als Soldat, die er im Hin und Her der Napoleonischen Befreiungskriege in Armeen verschiedenster Staaten verbracht hatte, war er wieder in die Stadt zurückgekommen.
Wie viele andere in Deutschland wurde auch Georg Büchner auf den Leipziger Fall aufmerksam, der drei Jahre verhandelt und breit besprochen wurde. Denn mit diesem Fall verbanden sich wie unter einem Brennglas Fragen, die damals noch nicht allzu lange diskutiert wurden: Fragen nach Schuldfähigkeit und Wahnsinn ebenso wie soziale Fragen nach Lebensbedingungen und Lebenschancen. Die psychiatrischen Gerichtsgutachten, die zum Fall Woyzeck entstanden, bilden eine der Quellen zu Büchners Drama, das sich andererseits eine große literarische Freiheit nimmt. Schlaglichtartig reiht Büchners „Woyzeck“ in expressiver Zuspitzung Stationen einer Eskalation auf — und nimmt gesellschaftliche Hierarchien und Abgründe in einen grellen Fokus. Büchners Drama ist Fragment geblieben — aber gerade in seiner Fragment-Struktur entspricht es vielleicht den Aspekten und Umständen dieser Geschichte.
Schauspielintendant Enrico Lübbe widmet sich in Leipzig dem Stoff noch einmal neu, nach der Schauspiel-Inszenierung in Chemnitz 2011 und Alban Bergs Opernversion 2017 in Erfurt unter der musikalischen Leitung von Joanna Mallwitz. Das Bühnenbild entwirft Etienne Pluss, der für „Violetter Schnee“ an der Staatsoper Unter den Linden 2019 mit dem Theaterpreis DER FAUST ausgezeichnet wurde. Seine Arbeiten führten ihn zuletzt zu den Salzburger Festspielen („Il Trittico“, Regie Christoph Loy) sowie gemeinsam mit Regisseur Claus Guth zu den Festspielen in Aix-en-Provence und an das Teatro San Carlo Neapel.
Ebenso wie Pluss verbindet auch Kostümbildnerin Bianca Deigner eine langjährige Zusammenarbeit mit Enrico Lübbe, gemeinsam erarbeiteten sie in Leipzig „Das kalte Herz“, „Winterreise / Winterreise“ oder „Die Maßnahme / Die Perser“. Weitere Arbeiten führten Bianca Deigner an das Theater Gera sowie ans Theater Freiburg, an die DomStufen-Festspiele Erfurt und an die Opéra de Lille in Kooperation mit der Philharmonie de Paris zu Stockhausens „Freitag aus Licht“.
Nach zuletzt „Das kalte Herz“ und „563“ gestaltet der Leipziger Musiker und Jazzpianist Philip Frischkorn für „Woyzeck“ erneut eine Schauspielmusik am Haus.
Besetzung
Christoph Müller als Woyzeck
Bettina Schmidt als Marie
Tilo Krügel als Hauptmann
Michael Pempelforth als Doktor
Wenzel Banneyer als Andres
Thomas Braungardt als Andres (alternierend)
Samuel Sandriesser als Tambourmajor
Paula Winteler als Margreth
Niklas Wetzel als Wanderer
Bruno Akkan, Luca-Noél Bock, Aicha-Maria Bracht, Joshua Dahmen, Fritz Manhenke, Emmeline Puntsch als Seminar des Doktors / Wirtshausgesellschaft
Statisterie
Carolin Hain, Charlotte Krauspe, Damian Reuter, Fabian Schwitter Greta Wach, Kirsten Wilkner
Live Musik - Klavier/Harmonium
Philip Frischkorn
Live Musik - Schlagzeug
Angela Requena Fuentes
Team
Regie: Enrico Lübbe
Bühne: Etienne Pluss
Kostüme: Bianca Deigner
Video: Robi Voigt
Musikalische Konzeption: Philip Frischkorn
Dramaturgie: Torsten Buß
Licht: Jörn Langkabel
Videotechnik: Robert Gotthardt, Fabian Polinski
Ton: Gregory Weis, Nico Teichmann, Udo Schulze
Inspizienz: Ute Neas
Soufflage: Philine von Engelhardt
Regieassistenz: Lukas Leon Krüger
Bühnenbildassistenz: Carolin Schmelz
Kostümassistenz: Maryna Ianina
Maske: Kathrin Heine, Donka Donka Holeček, Cordula Kreuter, Julia Markow, Barbara Zepnick
Requisite: Sven-Sebastian Hubel
Bühnenmeister: Julius Besen, Tilo Münster
Ausstattungshospitanz: Carolina Imhof
Theaterpädagogische Betreuung: Amelie Gohla, Nele Hoffmann