George Balanchine (1903 – 1983) gab den Startschuss zu einer Entwicklung von bis dahin unbekannten Tempi der Bewegung am Horizont des Balletts, die zeitgleich mit dem Begriff der Neoklassik erschienen. Ungeachtet ihrer individuellen Bewegungssprache sind die drei Choreographen des Premierenabends dieser „Spielart“ der Neoklassik zuzuordnen, die im späteren 20. Jahrhundert in den Niederlanden zu besonderer Ausprägung und Pflege gelangte und schraubten in ihrem choreographischen Schaffen die Anforderungen zum Teil ins Extreme, wie Ballettdramaturg Oliver Peter Graber im Staatsopernmagazin „Prolog“ erläutert.
Tanzjournalistin Angela Reinhardt schreibt in ihrem Text über den Abend im Programmheft: „Alle drei Choreographen dieses Abends veränderten die Geschichte des klassischen Balletts: indem sie die Bewegung direkt befragten oder indem ihr Tanz keine bekannten Geschichten mehr erzählte, sondern von anderen Dingen sprach, von der modernen Gesellschaft, von Irritationen, Gedanken, der Sinnsuche des Lebens. Hans van Manen, Jiří Kylian und William Forsythe sind Bahnbrecher. Durch sie sehen wir heute mehr im Ballett als nur die beglückende Schönheit seiner Formen: Wir denken mit den Augen.“
Zu den Werken
Als erstes der vier Stücke wird William Forsythes Artifact Suite (Musik: Johann Sebastian Bach, Eva Crossman-Hecht) gezeigt, das 2004 beim Scottish Ballet in Glasgow Premiere feierte und vom Choreographen aus seinem 1984 uraufgeführten handlungslosen Vierakter Artifact, einem Ballett über das Ballett, zusammengestellt wurde. „Forsythe beginnt hier auszuloten, wie weit man Bewegungen ins Extrem treiben kann, er verlängert mit weit hinausgestreckten Beinen, extremen Streckungen und Gewichtsverlagerungen die Linien des Körpers in den Raum hinein“, wie Angela Reinhardt bemerkt, „Forsythe nutzt das Vokabular des klassischen Tanzes, zerstört aber immer wieder mutwillig dessen klare Abläufe, er verfremdet Bewegungen und setzt sie in fulminanter Weise neu zusammen“.
Hans van Manens Trois Gnossiennes zur Musik von Erik Satie – „Gnossiennes“ ist eine Wortschöpfung des Komponisten – wurde 1982 beim Holländischen Nationalballett in Amsterdam uraufgeführt. Auch in diesem Pas de deux gelingt es van Manen, wie Angela Reinhardt bemerkt, „unseren Blick auf die kleinsten Nuancen zu lenken“. Auch van Manens Bewegungsvokabular beruht auf der Neoklassik, zeigt aber auch eine Spannung zwischen Mann und Frau.
Solo, 1997 beim Nederlands Dans Theater uraufgeführt, ist ein rasantes Stück für drei männliche Solisten (Musik: Johann Sebastian Bach), die „den Tanz wie einen Stafettenstab immer wieder an den nächsten weiter reichen, in einem freundschaftlichen, ironisch lächelnden Wettbewerb“, wie Angela Reinhardt das Werk charakterisiert.
Jiří Kyliáns Psalmensymphonie (Musik: Igor Strawinski) ist das vierte Stück des neuen Abends – sie kam 1978 beim Nederlands Dans Theater, dessen künstlerischer Leiter Kylián war, zur Premiere und gab Anstoß für die gesamte weitere Entwicklung dieses Ensembles. Die Choreographie hat sich den Ruf eines frühen Meisterwerkes, das den Tanz in all seinen Facetten feiert und doch eigenwillige Wege geht, bis heute erhalten.
"Artifact Suite"
Choreographie, Bühne, Kostüme und Licht William Forsythe
Musik Johann Sebastian Bach
Eva Crossman-Hecht
Solopaar 1 Nikisha Fogo
Jakob Feyferlik
Solopaar 2 Nina Poláková
Roman Lazik
Other Woman Oxana Kiyanenko
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"Trois Gnossiennes"
Choreographie und Bühne Hans van Manen
Musik Erik Satie
Kostüme Oliver Haller
Licht Jan Hofstra
Dame Maria Yakovleva
Herr Jakob Feyferlik
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"Solo"
Choreographie Hans van Manen
Musik Johann Sebastian Bach
Kostüme und Bühne Keso Dekker
Licht Joop Caboort
Herr 1 Denys Cherevychko
Herr 2 Richard Szabó
Herr 3 Géraud Wielick
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"Psalmensymphonie"
Choreographie und Licht (Konzept) Jiří Kylián
Musik Igor Strawinski
Bühne William Katz
Kostüme Joop Stokvis
Realisierung des Lichtdesigns Joop Caboort
Adaptierung des Lichtdesigns (2004) Kees Tjebbes
1. Paar Ketevan Papava
Roman Lazik
2. Paar Nikisha Fogo
Denys Cherevychko
3. Paar Kiyoka Hashimoto
Davide Dato
4. Paar Nina Poláková
James Stephens
5. Paar Nina Tonoli
Navrin Turnbull
6. Paar Rikako Shibamoto
Scott McKenzie
7. Paar Anita Manolova
Marian Furnica
8. Paar Gala Jovanovic
Tristan Ridel