Ein Vorhang aus eisernen Ketten schirmt den quadratischen Hinterhof ab. Es ist ein Ort der sexuellen Übergriffe, der Gewalt, ein Ort, der dem Blick der Öffentlichkeit entzogen ist. Das Geschehen spielt sich im Verborgenen ab, bis die Ketten krachend zu Boden fallen. In Ihrem Stück "Backyard" nehmen sich Uri Ivgi und Johan Greben des Themas des Missbrauchs an, das aber ästhetisch sehr soft herübergebracht wird, sowohl tänzerisch als auch musikalisch. Nur in kleinen Gesten und körperlichen Bewegungen lassen sich die seelischen Aus¬wirkungen dieser Gewalttätigkeit auf die Opfer für den aufmerksamen Beobachter erahnen. Und so ist es auch vielmehr das Schweigen der Täter und der Opfer, was im Mittelpunkt der Choreographie zu stehen scheint.
Eine Handlung sucht man im zweiten Teil des elften Ballettabends an der Deutschen Oper am Rhein, dem "Violakonzert" von Martin Schläpfer, vergeblich. Alfred Schnittkes Konzert für Viola und Orchester mit seinem polystilistischen Konzept ist für Schläpfer der Ansatz, um sich auf die Suche nach dem Ursprung der schöpferischen Idee zu machen. Es ist die Frage, wie ein künstlerisches Werk entsteht, welche unbewussten Impulse ihm zugrundeliegen, wie Emotion und rationale Reflexion zusammenwirken. Natürlich kann Schläpfer dieses Geheimnis nicht lüften, aber er kann es in verschieden Körperstudien, die auf die Musik Schnittkes Bezug nehmen, untersuchen. Er setzt aber damit gleichzeitig ein neues Geheimnis in die Welt...
Ein ungeordneter Stapel von Hockern in den Farben des "De Stijl"-Stils lackiert erwartet den Zuschauer zu Beginn von "Fearful Symmetries" von Nils Christe. So ungeordnet geht es aber nicht weiter, vielmehr finden sich in den einzelnen Szenen, die jeweils abgeblendet werden, die Hocker in immer anderer Formation und farblicher Symmetrie aufgereiht. Daneben dienen diese Möbel dem Ensemble als Sitz-, Steh- und Absprunggelegenheiten. Eine temporeiche Mischung aus klassischem Ballett, Jazz und Modern Dance-Elementen spiegelt in diesem Stück die Nervosität des hektischen Großstadtlebens wider.
Mit äußerster Präzision und wie immer technisch perfekt dargeboten fand auch der elfte Ballettabend beim Publikum stürmischen Beifall.
BACKYARD (Uraufführung) von Uri Ivgi und Johan Greben
Musik: „Stille und Umkehr“. Orchesterskizzen von Bernd Alois Zimmermann, „Anger“ aus „Discord“ von Ryuichi Sakamoto sowie „Fratres“ von Arvo Pärt
Choreographie und Bühne: Uri Ivgi, Johan Greben
Musikalische Leitung: Christoph Altstaedt
Kostüme: Natasja Lansen
Licht: Yaron Abulafia
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker
VIOLAKONZERT von Martin Schläpfer
Musik: Konzert für Viola und Orchester von Alfred Schnittke
Choreographie: Martin Schläpfer
Musikalische Leitung: Christoph Altstaedt
Bühne und Kostüme: Thomas Ziegler
Licht: Volker Weinhart
Viola: Gabriel Bala
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker
FEARFUL SYMMETRIES von Nils Christe
Musik: „Fearful Symmetries“ von John Adams
Choreographie: Nils Christe
Musikalische Leitung: Christoph Altstaedt
Bühne: Thomas Rupert
Kostüme und Einstudierung: Annegien Sneep
Licht: Volker Weinhart
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker
Premiere 17. März 2012