Als unfreiwillig Erwachsene finden sich die beiden in der „Wunschkindfabrik“ wieder, wo der grausame Direktor und seine Spielzeuggehilfen „schwierigen“ Kindern Manieren beibringen. Das Geschäft boomt, die Eltern freuen sich über scheinbar geläuterte Töchter und Söhne mit perfektem Benehmen – nicht wissend, dass hinter den Kulissen eine schreckliche Maschinerie im Gange ist, die alles andere als rund läuft.
Gemeinsam mit dem Struwwelpeter und dem Engel ziehen Elsa und Robert los, um die Kinder aus den Fängen des Direktors zu befreien und ihnen ihre Kindheit zurückzugeben. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Ein
Aufstand gegen eine erfolgssüchtige Welt, die Kinder nur duldet, solange sie „funktionieren“. Ein Kampf, in dem es nur einen Sieger geben kann…
In Heinrich Hoffmanns Kinderbuch ist der Struwwelpeter der Inbegriff des missratenen Kindes – und genau diese Eigenschaft macht ihn im Musical von Mario Eick und Hannes Ferrand zur letzten Hoffnung für die Wunschkinder
wider Willen. Eick bettet die seit Generationen bekannten Originalverse in den Kontext einer modernen Rebellengeschichte, in der sie ihre ganze Dramatik, aber auch ihren ganzen satirischen Witz neu entfalten.
Ferrand bringt die Episoden in einem mitreißenden Potpourri aus Blues, Reggae, Swing und Walzer zum Klingen. Das Ergebnis ist ein märchenhaftes Musical-Erlebnis für Große und Kleine – und ein leidenschaftliches Plädoyer
für das Kindsein.
Alles begann mit einem Buch
Als Dr. Heinrich Hoffmann sich im Dezember 1844 an den Tisch setzte, um den „Struwwelpeter“ zu schreiben und zu zeichnen, hatte er nur eins im Sinn: Seinem dreijährigen Sohn zu Weihnachten ein schönes Bilderbuch zu
machen, denn im Laden hatte er kein passendes gefunden. Dass sein Büchlein nur wenige Monate später ein Riesenerfolg würde, ahnte der Autor damals nicht – geschweige denn, dass der „Struwwelpeter“ in den folgenden
150 Jahren die ganze Welt erobern würde. In mehr als 35 Sprachen gibt es das Bilderbuch heute; zudem erschien es in gut 25 deutschen und noch einmal so vielen ausländischen Mundarten.
„Sei hübsch ordentlich und fromm…“
Hoffmanns Struwwelpeter erzählt von Kindern, die nicht brav sind und denen deshalb schlimme Dinge passieren. Hauptfiguren des Buches wie der “Zappelphillipp”, der “Suppenkaspar” und der “Hans Guck-in-die-Luft” haben
inzwischen sogar einen festen Platz im deutschen Wortschatz erobert. Textpassagen wie "Konrad“, sprach die Frau Mama, "ich geh aus und Du bleibst da" sind heute ebenfalls Gemeingut.
Brachialpädagogik von gestern?
Für die einen der Kinderbuchklassiker schlechthin, ist der „Struwwelpeter“ für die anderen eine pädagogische Horrorvision. Denn was den unartigen Kindern widerfährt, ist in seiner Brutalität beängstigend: Paulinchen spielt mit Streichhölzern und verbrennt bei lebendigem Leibe; Konrad werden die Daumen abgeschnitten, weil er daran nuckelt – und der kleine Robert wird davongeblasen, weil er bei Sturm aus dem Haus geht. Solch brachiale
Strafmuster passen kaum zum heutigen Verständnis von Erziehung, selbst wenn man in Betracht zieht, dass Hoffmann die Geschichten vermutlich mit Absicht satirisch überzeichnet hat – ein Stilmittel, das auch kleine Kinder bereits verstehen. Aus psychologischer Sicht erscheint der Struwwelpeter hingegen alles andere als veraltet. Der Arzt Hoffmann hat damals schon treffend illustriert, was heute die Jugendpsychiatrie beschäftigt: Essstörung (Suppenkaspar), Aufmerksamkeitsstörung (Hans Guck-in-die-Luft), Hyperaktivität (Zappelphilipp).
Vom Problemkind zum Wunschkind – Struwwelpeter aktuell
Mario Eicks „Struwwelpeter“ hat mit dem Original mehr als nur den Namen und die Hauptfigur gemein. In seiner „Wunschkindfabrik“ geschieht schließlich genau das, was auch Hoffmanns Bilderbuch bezwecken sollte: Kindern wird „richtiges“ Verhalten vermittelt. Mehr noch: Ihnen wird das gute Benehmen gleich auf den Leib gepresst – per Stanze, vollautomatisch. Das nicht ganz so perfekte Originalkind wird hübsch weit unten weggeschlossen. Ganz schön brutal. Und leider nicht so weit vom Alltag entfernt, wie wir das gerne hätten. Grundschulkinder mit dicken Terminkalendern, gekleidet und frisiert wie die Großen sind längst keine Ausnahme mehr. Ihre Formung wird säuberlich geplant und festgeschrieben, auf dass zwischen Tennisplatz und Ballettsaal, Musikschule und Reithalle, Nachhilfe und Therapie gar keine Zeit mehr bleibt, um eine Scheibe einzuschmeißen oder gar mit Zündhölzern… Auf dass sie zuverlässig funktionieren. Nicht zurückbleiben. Vorn dabei sind. Normal eben.
Geht das gut? Wir wissen es nicht. Aber vielleicht geht es anders…
Musical von Mario Eick
Komposition und Arrangements von MD Hannes Ferrand
Regie: Mario Eick
Musikalische Leitung: MD Hannes Ferrand
Bühnenbild: Werner Klaus
Kostüme: Simone Sommer
Choreografie: Sandra Käpernick
Maskenbild: Katharina Brandstetter
Dramaturgie: Miriam Schröder
Mit: Verena Ehrmann, Kathrin Walder, Werner Schwarz, Susanne Muhr, Boris Schumm, Erich Maier, Liza Sarah Riemann, Christopher Luber, Christine Reitmeier, Sandra Käpernick, Jan Käpernick, Sebastian Goller
Und der Band: Claus Freudenstein (b), Gerhard Harlander (dr), Josef Mayer (sax), Bernhard Girlinger (tr), Peter Holzapfel (trb), Magdalena Girlinger (vl), MD Hannes Ferrand (p)
Weitere Termine: 20.02.2011 18.30 Uhr · 25.02.2011 19.30 Uhr · 26.02.2011 19.30 Uhr · 27.02.2011 18.30 Uhr · 11.03.2011 19.30 Uhr · 12.03.2011 19.30 Uhr · 13.03.2011 18.30 Uhr
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