In Grimmelshausens Hauptwerk „Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch“ – das als wichtigstes Prosawerk des Barock in deutscher Sprache gilt – beschreibt der Autor ein detailreiches Panorama der verwilderten deutschen Gesellschaft in Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. Durch dessen Verwüstungen hindurch rettet sich der ungebrochen vitale Narr Simplicius Simplicissimus mit einer Mischung aus heiliger Einfalt und schwarzem Humor.
Der Syrer Aboud Saeed beschließt im Jahr 2011, dem Jahr des „arabischen Frühlings“ und des daraus resultierenden Aufstandes gegen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad, seine „persönliche Facebook-Revolution“. Er bloggt seitdem mit abgründigem Humor über den Bürgerkrieg in seiner Heimat, die zwischen Fassbomben und islamistischen Milizen aufgerieben wird, ebenso wie über die Plastiksandalen seiner Mutter oder über „die Leere, die aus mir einen Pseudo-Dichter gemacht hat“. Sein Ziel: nicht mehr ein Niemand sein. „Nummer eins“ werden. Anerkannt sein als „der klügste Mensch im Facebook“.
Der Arabische Frühling von 2011 und der Dreißigjährige Krieg von 1618-1648 – Liegen Welten zwischen diesen beiden Ereignissen, oder können wir überraschende Parallelen entdecken, die Kulturen und Epochen miteinander verbinden?
Das Ensemble des Stadttheaters Fürth begibt sich mit dieser Produktion in eine spannende Forschungsarbeit, die zum ersten Mal an einer deutschen Bühne die Texte des syrischen Facebook-Bloggers Aboud Saeed mit dem wichtigsten Prosawerk des Barocks in deutscher Sprache, Hans Jacob Christoph zu Grimmelshausens „Simplicius Simplicissimus“, in einen Theaterabend zusammenführt.
Mit einer großen Experimentierlust präsentieren die fünf Schauspielerinnen und Schauspieler eine einzigartige Mischung aus Sprachkunst, großflächiger Live-Malerei und Musik-Perfomance auf eigens für diese Produktion hergestellten Klangkörpern und zeigen dabei auf, dass Humor und Hoffnung zu allen Zeiten und in allen Kulturen die humane Antwort auf Krieg und Zerstörung sind.
„Ich kannte weder Gott noch Menschen, weder Himmel noch Hölle, weder Engel noch Teufel, und wusste weder Gutes von Bösem zu unterscheiden. Ich hatte schlichtweg überhaupt keine Ahnung von irgendwas. Ja, ich war so perfekt und vollkommen in meiner Unwissenheit, dass mir unmöglich war zu wissen, dass ich so gar nichts wusste. Deshalb nannte man mich Simplicius Simplicissimus, den Einfältigsten der Einfältigen.“ (Grimmelshausen)
Aboud Saeed
Im Frühjahr 2011 erlebt Syrien einen Aufstand der Bevölkerung gegen seine Regierung, die mit Gewalt zurückschlägt. Etwa zur gleichen Zeit beginnt der 30-jährige Aboud Saeed mit seiner ganz persönlichen Revolution – auf Facebook, wo er tägliche Statusmeldungen zur Mitschrift seines Lebens werden lässt. Aboud Saeed wurde 1983 geboren und lebt in der Kleinstadt Manbidsch in der Provinz von Aleppo im Norden Syriens. Manbidsch wurde 2012 und Anfang 2013 stark von der Assad-Regierung bombardiert. Nach der neunten Klasse ging er von der Schule ab, hat Schmied und Schweißer gelernt und arbeitet seit elf Jahren in einer Werkstatt. Drei Jahre war er Gastarbeiter in einer Plastikfabrik im Libanon, wo er in einer Blechhütte lebte. 2008 machte er sein Abitur nach und schrieb sich an der Universität für ein Wirtschaftsstudium ein. Sie wurde wegen der politischen Umstände geschlossen. „Der klügste Mensch im Facebook“ ist seine erste Veröffentlichung.
In Lebensgroßer Newsticker, seinem zweiten Buch, erzählt er von seiner Kindheit im Norden Syriens, der Schulzeit unter dem Baath-Regime, vom Gastarbeiterdasein im Libanon, vom Anfang des Krieges, der Flucht in die Türkei und seiner Ankunft in Deutschland. Die hier versammelten biografischen Erzählungen konzentrieren sich auf den syrischen Alltag der 1990er und 00er Jahre, eine „Zeit des Chaos im Schatten einer Familiendiktatur“. Sie handeln von den persönlichen Konflikten in den eigenen vier Wänden, denn „die kleinen Nebenkriege sind Echos der großen Kriege“.
Mit Texten von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen und Aboud Saeed.
ab 14 Jahren
Idee: Thomas Stang
Inszenierung: Jochen Strodthoff, Thomas Stang
Ausstattung: David König
Musik: Oliver Rose
mit Damjan Batistic, Tristan Fabian, Sunna Hettinger, Josephine Mayer, David Schirmer
Samstag, 1. April 2017, 20.00 Uhr
Montag, 3. bis Freitag, 7. April 2017, 10.00 Uhr
Theater im Gespräch: So 26. März 2017, 11.00 Uhr (Stadttheater Fürth, 1. Rang - Eintritt frei)
Workshop: Sa 1. April 2017, 17.00 Uhr (Treffpunkt: Stadttheater Fürth, Pforte, Königstraße 116 - Eintritt frei)
Theaterkasse: Tel. 0911/974 24 00 • Fax 0911/ 974 24 44 • E-Mail theaterkasse@fuerth.de