Warum eigentlich? Die Debüt-Arbeiten von drei Nachwuchsregisseurinnen geben scheppernde Antworten auf die dröhnende Frage, wer warum welche Rolle spielt – nicht nur im Theater.
In Hunting von Trier erzählt Nora Abdel-Maksoud ein RockʼnʼRoll- Märchen: Vorabendserienprofi Patrizia und ihre lampenfiebernde Kollegin Lenni sind bereit, im Casting alles zu geben. Schließlich geht es um absolute Traumrollen: ein Film über coole Rebellinnen, inszeniert von keinem geringeren als Lars von Trier höchstpersönlich! Glasklare Szene, perfekter Text, für die beiden kann nichts schief laufen. Bis der Starregisseur Spielanweisungen gibt, die zum Verhängnis werden, und die ungleichen Heldinnen Hals über Kopf ins Abenteuer ihres Lebens stolpern.
In Theresa Hennings multimedialer Performance Mein Ruh ist hin, mein Herz ist schwer. Hallo Revolutionär! sitzt Gretchen im Jahr 2012 noch immer im Kerker. Überwacht von Faust, dem Täter, sucht sie zwischen Laufsteg, Frauenhaus, Videospielen und der Liebe nach einem Weg, der ganzen Scheiße zu entkommen. Gretchen hat genug von Passivität, Gretchen findet ihren Namen dumm, Gretchen hat keine Lust mehr auf Gretchen. Es scheint nur einen Ausweg zu geben: Die Flucht nach vorn, den Ausbruch als Aufbruch.
Run Brother Run von Salome Dastmalchi blickt hinter die Kulissen eines historischen Sportereignisses: WM 2006, Deutschland gegen Italien. Einzug ins Finale oder live-geschaltetes Versagen. Während
die ganze Welt vor Beginn der zweiten Halbzeit den Atem anhält, sind die Nationalspieler Henkel, Mate und Becks in der Umkleidekabine damit beschäftigt, grundsätzliche Fragen der Spielstrategie zu klären:
Kühler Kopf oder wüste Beschimpfungen? Mögen sie ihre Fans? Und winkt der Ruhm wirklich dem, der links außen gepisst hat? Einblicke in einen verschwitzten Miniaturkosmos zwischen Verletzlichkeit und
Schwanzvergleich.
Regie
Nora Abdel-Maksoud
Salome Dastmalchi
Theresa Henning
Bühne und Kostüm
Regina Fraas
Video
Dona Assisi,
Catalina Fernández,
Rebecca Llanos
Dramaturgie
Nora Haakh,
Darja Stocker
Mit
Sanam Afrashteh,
Javeh Asefdjah,
Elmira Bahrami,
Eva Bay,
Pınar Erincin,
Anne Haug,
Lea Willkowsky
Eine Produktion von
Kultursprünge e.V. im
Ballhaus Naunynstraße
Die drei autorinnen
Nora Abdel-Maksoud wurde in München geboren. 2005 begann sie ihr Schauspiel-Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg. Für ihre Darstellung der Miranda in dem von Robert Gallinowski inszenierten Stück Der Sturm wurde Nora Abdel-Maksoud 2008 beim Theatertreffen Deutschsprachiger Schauspielstudierender mit dem Solo-Preis ausgezeichnet. Seit 2009 arbeitet sie als freischaffende Schauspielerin für Film- und Theaterproduktionen. Sie spielte
u.a. am Hans-Otto-Theater Potsdam und in Kinofilmen wie Shahada und Barriere. Am Ballhaus Naunynstraße ist sie in den Produktionen Schnee, Verrücktes Blut und Bloodshed in Divercity zu sehen.
Salome Dastmalchi wurde als Tochter persischer Eltern in Berlin geboren und studierte von 2002 bis 2006 an der Hochschule der Künste in Bern Schauspiel. Im Anschluss tourte sie ein Jahr lang mit dem Tanztheaterstück Return to sender von Helena Waldmann um die Welt und war dadurch auf Festivals in Indien, Sri Lanka, Kenia, Ägypten und Afghanistan zu sehen. 2010 spielte sie u.a. die Katarina in einer Basler Inszenierung von Lars Noréns Dämonen, die Rolle der Motte in Das blaue, blaue Meer
am Heimathafen Neukölln und Frau Witzany in Die Fozen am Ballhaus Ost. Zusätzlich debütierte sie als Autorin und Regisseurin am HAU 3 mit ihrem Stück Mein Herz ist voller Hass – und das liebe ich und wurde mit dieser Inszenierung auf Festivals nach Köln und Frankfurt/Oder eingeladen.
Nach Lesungen und einem Auftritt mit ihrer Band Peesh-Band ist Salome Dastmalchi am Ballhaus Naunynstraße zuletzt in Bloodshed in Divercity zu sehen gewesen.
Theresa Henning, geboren 1984 in Halle, schloss 2009 ihr Schauspielstudium an der Universität der Künste Berlin ab. Seit 2005 war sie u.a. in Berlin–Belgrad (3. Stock Volksbühne), im Deutschen Theater Berlin in Pizzicato (Regie: Victor Bodó), in Motortown und in Baal in der Regie von Christoph Mehler zu sehen, außerdem 2007 in Seid hingerissen von euren tragischen Verhältnissen (Text und Regie René Pollesch) und 2008 am Schauspielhaus Magdeburg als Julia in Romeo und Julia in der Regie von Anette Pullen. 2012 war sie als Gast am Stadttheater Gießen für das Stück Hysterikon engagiert. Im Jahr 2011 schrieb sie das Drehbuch für den Kinofilm "Der neue Eichinger", der gemeinsam mit Jean Philippe Adabra enstand, und bei dem sie auch Regie führte.