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Uraufführung: "Rocco Darsow" von René Pollesch, DeutschesSchauSpielHausHamburg

Premiere 12/12/2014 / MalerSaal. -----

„Weißt du, neulich sagte mir jemand von einer anderen Bühne, ‚Komm doch mal zu uns, bei uns kannst du altmodisches Theater sehn’. Aber das stimmte dann gar nicht. Ich saß dann da drin, und das war der letzte modernistische Scheiß. Aber auch die Zuschauer meinten hinterher, sie hätten klassische Kostüme gesehen.

Aber das waren die allerletzten H&M-Klamotten. Was ist bloß los! Warum halten die Leute das für Tradition? Warum verdrehn die alles? Ich bin ein konservativer Schauspieler. Ich brauche Heilige mit einem durchdringenden paranoiden Blick. Das beruhigt mich. Und keine Buddhisten. Weißt du, wenn ich Leute sehe, die im Taxi aus dem Fenster sehen und nicht auf ihr iPhone, könnt ich ihnen sofort eine reinschlagen. Wenn 50-Jährige auf der Straße energetisch in einen Apfel beißen, dann glaube ich, die sind völlig verrückt geworden.

 

Und was die Leute sich so alles als Errungenschaften und Qualität in ihrem Leben erzählen! Zum Beispiel tun sich viele hervor damit, dass sie nicht käuflich sind, also mit Selbstbildnissen als integre und moralisch einwandfreie Menschen. Dass sie zum Beispiel nie auf ihren Vorteil bedacht sind. Und dann ist die Frage: Auf wessen dann? Bertolt Brecht verhört diese guten Menschen in dieser Weise. Und dabei geht es jetzt nicht um die Frage, ob sie auch ‚wirklich‘ so gut sind, wie sie sagen, und nicht nur so tun als ob, sondern um etwas völlig anderes. ‚Tritt vor‘, heißt es da im Verhör des Guten, ‚wir hören, dass du ein guter Mann bist. Du bist nicht käuflich, aber der Blitz der ins Haus einschlägt, ist auch nicht käuflich. Wir hörten, du bist nicht auf deinen Vorteil bedacht. Auf wessen dann?‘ Und darum geht’s! Die Guten befragen zu ihren Verbindungen mit denen, die auch nicht käuflich sind, wie etwa dem Blitz. Im Theater könnten dann Blitze auftreten, von denen wir sagen würden: Seht her, dieser da ist nicht käuflich.

 

Das wäre das Theater als moralische Anstalt. Das Theater war aber schon immer viel eher im Bunde mit einem ‚korrupten Priester, der Tugend predigt, und ein Heuchler sein mag, aber wenn die Leute seine Worte mit der Autorität der Kirche ausstatten, dann kann er sie zu guten Taten antreiben.‘ Es ist also völlig egal, wie wir wirklich sind. Das wusste ich schon immer, dass mich eigentlich nicht interessiert, wie jemand wirklich tickt. Intentionen interessieren mich überhaupt nicht. Sondern das, was sie, die Leute, tun.“

 

Es spielen: Sachiko Hara, Christoph Luser, Bettina Stucky, Martin Wuttke

 

Regie: René Pollesch / Bühne und Kostüme: Janina Audick / Licht: Susanne Ressin / Video: Ute Schall / Dramaturgie: Sybille Meier

 

Weitere Aufführungen: 14/12, 16/12, 17/12, 20/12

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