Wie erkenne ich das heute an mir, was gestern unkenntlich war? Alles verwischt sich in einem Labyrinth, in dem ich mir verloren gehe. Wem schaue ich zu? Wie viele bin ich? Was für ein Intervall ist das zwischen dir und mir?
Der portugiesische Dichter Fernando Pessoa (1888–1935) gehört zu den bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Der größte Teil seines Werkes wurde erst aus dem Nachlass bekannt, sein Hauptwerk, Das Buch der Unruhe, erstmals 1982 veröffentlicht. Pessoa schuf sich Parallelidentitäten, Heteronyme, mit ganz eigenen Biographien, unter deren Namen er voneinander völlig verschiedene Texte schrieb. Die Abspaltungen seines Ichs hießen etwa Alberto Caiero, Ricardo Reis und Alvaro de Campos. Der Rang seiner Werke, in denen er der Krise des modernen Individuums auf faszinierende Weise Ausdruck verlieh, ist dem eines James Joyce oder Samuel Beckett an die Seite zu stellen. Die Autorin Simone Homem de Mello schuf nach Texten von Fernando Pessoa das Libretto zur UraufführungKeine Stille außer der des Windes.
Dem Buch der Unruhe ist nicht nur die Grundstimmung der Oper, sondern auch die zentrale dramatische Situation zu entnehmen: das Dilemma eines Schriftstellers, der sich in seiner Hingabe zur Literatur der Außenwelt verschließt und sich gleichzeitig nach Kontakt und möglichst unmittelbarem Zugang zum Anderen sehnt. Dem bekenntnishaften und homogenen Ton des Buches der Unruhe, dessen Fragmente auf Portugiesisch gesungen werden, ist die Vielfalt kontrastierender poetischer Diktionen aus den Gedichten entgegenzusetzen, die in verschiedenen Konstellationen von drei männlichen und drei weiblichen Stimmen wiedergegeben wird.
(Simone Homem de Mello)
Sidney Corbett stammt aus Chicago und lebt in Berlin. Sein Oeuvre umfasst Kammermusik, Liedkompositionen und Werke für Orchester. Zahlreiche renommierte Festivals und Sinfonieorchester erteilten ihm Kompositionsaufträge.
Christian Günther
Musikalische Leitung
Rosamund Gilmore
Inszenierung
Carl Friedrich Oberle
Ausstattung