So zum Beispiel in den frühen 1920er Jahren in Russland, zur Zeit der russischen Avantgarde, in der sich Gesellschaft und Kunst von Grund auf erneuert haben. Anton Makarenko, russischer Pädagoge und Schriftsteller, stellte sich in dieser Zeit die Aufgabe, aus jugendlicheStraftätern „neue Menschen“ zu machen. Er leitete eine Kolonie, die im Geiste Rousseaus und Pestalozzis, Tolstois und Gorkis zum Fundament einer neuen Form der Gemeinschaft wurde. Seine Utopie hat sich verwirklicht. Makarenko glaubte an das Kollektiv, in dem jede Form des Egoismus unterbunden wurde, wenn nötig auch durch den Einsatz von Gewalt. Er suchte nach Solidarität und einer besseren Welt.
Wir leben in einer Zeit, in der die Demokratie in ihrer jetzigen Form nicht mehr funktioniert. Wir
brauchen neue Formen. Neue Menschen. Wir gehen auf die Barrikaden und ein Gebet ist auf unseren
Lippen: „Lasst uns unsere Hoffnungen!“ Wir steigen von den Barrikaden, aber unsere Gebete ändern sich nicht. Der international gefeierte estnische Regisseur Tiit Ojasoo wird mit „Fuck your ego!“ zum ersten Mal in Deutschland inszenieren und Makarenkos gewaltiges und kontroverses, ideologisches und harsches soziales Poem neu hinterfragt auf die Bühne bringen.
Tiit Ojasoo, geboren 1977, studiert bis 2000 auf der Estnischen Akademie für Musik und Theater, bevor
er als Regisseur zunächst am Estnischen Drama Theater arbeitet. 2004 gründet und leitet er dann
gemeinsam mit der Ausstatterin und Künstlerin Ene-Liis Semper das Theater NO99 in Tallinn. Ojasoo
und Semper erarbeiten hier gemeinsam zahlreiche Inszenierungen und spielen Autoren wie William
Shakespeare und Bernard-Marie Koltès sowie gegenwärtige Stoffe von Martin McDonagh oder Sarah
Kane. Außerdem entstehen Musicals, eine Rockoper und zahlreiche eigene Projekte, mit denen sie auch
internationale Aufmerksamkeit erlangen.
In „Heiße estnische Jungs“, „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ und „Rise and Fall of Estonia“ betrachten sie spielerisch ihr Land in seiner demokratischen und wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte und sind zu Festivals in Deutschland, Russland, Holland, Polen, Österreich, Ungarn, der Schweiz, nach Finnland, Litauen und in die Slowakei eingeladen. In ihrer Kunstaktion „Unified Estonia“ stellten sie sich selbst als Kandidaten für die nächste Wahlperiode auf und erhielten in Estland innerhalb kürzester Zeit erstaunlich viele Stimmen für ihr Programm. Im Thalia Theater war die Produktion „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ im Januar 2011 während der Lessingtage zu sehen.
Regie und Ausstattung Tiit Ojasoo, Ene-Liis Semper
Musik Lars Wittershagen
Dramaturgie Sandra Küpper, Eero Epner
Ensemble Bruno Cathomas, Julian Greis, Franziska Hartmann, Sebastian Rudolph, Birte Schnöink,
Alexander Simon, Sebastian Zimmler
Weitere Vorstellungen am 27. April und am 1. Mai um jeweils 20 Uhr
Karten 040. 32 81 44 44 / www.thalia-theater.