Doch nicht das konkrete Ereignis oder eine individuelle Täterbiografie interessieren den Autor. Er macht Stimmen hörbar, die mal direkt und mal weitläufig im Zusammenhang mit einer solchen Tat stehen:
Ein junger Mann erzählt. Er war Zeuge eines Amoklaufs an einer Schule. Schnitt. Das „Haus im Glück“-Team macht die Schule wieder schön. Die Gewalt wird mit Spachtelmasse verfüllt. Das Trauma neu tapeziert. Schnitt. Die Wiedereröffnung der Schule soll gefeiert werden. Und der junge Mann soll musizieren. Schnitt. In einer Redaktion. Journalisten trinken sich in die Untiefen ihrer Frustration. Schnitt. Die Feier zur Wiedereröffnung der Schule, des Ortes, an dem der Tod wütete. Ein dissonanter Chor von Stimmen, die sich resignativ, ignorant an der Oberfläche auflösen. Schnitt. „Kopf runter, Fresse halten.“
Aus einer ungewöhnlichen Perspektive eröffnet der Autor Oliver Kluck mit seinem Text ein Panorama an gesellschaftlichen Bezügen - einen grundsätzlichen und gnadenlosen Diskurs über die Institution Schule und die Träger kultureller Verantwortung. Doch Kluck erhebt sich nicht über die Hilflosigkeit folgenloser Erklärungsversuche. Er provoziert, er polarisiert, und er mischt sich ein: „Nach einigem Hinschauen habe ich den Eindruck gewinnen müssen, dass das jetzige Repertoiretheater von seiner Beschaffenheit her nicht unbedingt ein Ort der gesamtgesellschaftlichen Debatte ist. Vielmehr trifft sich hier auf beiden Seiten der Bühne eine assimilierte Minorität, die es gewohnt ist, über andere Menschen und ihre Probleme zu sprechen.
Damit ist der Theaterdiskurs durch und durch demokratisch. Volksherrschaft bedeutet auch hier die Herrschaft des Volkes über die Bevölkerung und gleichzeitig die Herrschaft über die allgemeine Meinung, die aus einer zivilisatorischen Notwendigkeit heraus nichts anderes sagen kann als: Amoklauf, das Thema ist doch durch. Tatsächlich wird nun auch und besonders vor Wahlen immer wieder betont, wie wichtig es sei, Sozialpädagogen an Schulen einzustellen und neue Lehrer mit neuen demokratischen Lehrmethoden, nur einzig es passiert nichts, weshalb ich gerade nicht der Meinung bin, dass wir es uns erlauben können, unser derzeitiges Diskursmaterial als ausreichend zu betrachten.“ (Oliver Kluck)
Der Regisseur Max Claessen inszenierte bereits in der Spielzeit 2009/2010 erfolgreich die Uraufführung des ersten Auftragswerkes von Oliver Kluck am Schauspiel Chemnitz, „Zum Parteitag Bananen“. Mit „Feuer mit mir“ nähert er sich erneut einem Oliver Kluck Text. Mit seinen eigenen Worten beschreibt er: "Die Idee ist LICHT. Das heißt Licht und Schatten / Licht ins Dunkel bringen / Blitzlichtgewitter / Fotos SCHIESSEN. Wir haben eine Gruppe, die sich als solche auch vorstellen wird, und wir haben Scheinwerfer auf rollenden Stativen, und sie alle sind im schwarzen leeren Raum und performen diesen Text. POSTTRAUMATISCHE BELASTUNGSSTÖRUNG kann in Erstarrung enden: Es geht um ein traumatisches Erlebnis, das die Gesellschaft versucht zu verarbeiten. Schafft Sie es? Es geht um etwas, das nicht weggeht, eine schwarze Wolke, ein Ding, ein Erlebnis, ein Alptraum."
Regie: Max Claessen
Bühne und Kostüme: Chili Martina Seitz
Es spielen: Wenzel Banneyer, Yves Hinrichs, Karl Sebastian Liebich