Die Kreation spannt mit den faszinierenden Ausdrucksmöglichkeiten des Balletts den Bogen von den Anfängen des STAATSBALLETTS visionär bis ins Morgen. Damit ist sie eine Liebeserklärung an den Tanz an sich, die theatrale Ausdrucksform mit der längsten Tradition – und eine Hommage an die Stadt Karlsruhe, ihr Theater und ihre Bürgerinnen und Bürger. Mit der Beauftragung des jungen brasilianischen Choreografen Thiago Bordin, eine abendfüllende Kreation für das STAATSBALLETT zu erarbeiten, setzt Ballettdirektorin Birgit Keil zudem den „Karlsruher Weg“ fort, der neben der Pflege der Klassiker die zukunftsweisende Nachwuchsförderung in den Mittelpunkt rückt.
Die Grundidee der Inszenierung ist kein Handlungsballett im klassischen Sinne, denn es wird keine konkrete Geschichte erzählt. Sie ist vielmehr eine humorvolle Zeitreise durch die Kultur-, Theater- und Tanzgeschichte. Die vier groß angelegten Szenen beinhalten wegweisende Epochen im Ballett: den Barock, die Romantik, das Imperiale Russische Ballett und die Neoklassik, aber auch einschneidende historische Karlsruher Ereignisse wie den verheerenden Theaterbrand von 1847. Die erlesene Musikauswahl reist mit durch die Jahrhunderte und führt von Bach und Mozart über Beethoven und Mendelssohn-Bartholdy bis hin zu John Adams und Nils Frahm. Das Bühnenbildteam Numen & Ivana Jonke bringt mit Ausdrucksformen und Materialien des Industriedesigns eine Rauminstallation auf die Bühne, die auf spektakuläre Weise Abstraktion, Ästhetik und – als Hommage an das Karlsruher Theater – konkrete innenarchitektonische Elemente des Theaterneubaus von Helmut Bätzner wie die großen futuristischen Leuchter der Foyers sowie die Bofinger-Stühle miteinander vereint.
Der Stadtgründer und Namensgeber von Karlsruhe, Markgraf Carl Wilhelm, der von Anfang an das Theater als elementaren Bestandteil seiner neuen Stadt begriffen und etabliert hat, wird als konkrete Figur auf der Bühne ebenso auftreten wie große Persönlichkeiten der Tanzgeschichte wie der Jahrhunderttänzer Vaslav Nijinsky oder die Ausdruckstänzerin Isadora Duncan. Die Kostüme sind fantasievolle und witzige Kombinationen aus historischen Zitaten und Elementen heutiger, zeitgenössischer Mode. Zukunft braucht eben Herkunft oder, um es mit André Malraux zu sagen: „Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern.“
Der Brasilianer Thiago Bordin wurde in São Paulo geboren, begann seine Tanzausbildung in seiner Heimatstadt und schloss sie als Stipendiat der Tanzstiftung Birgit Keil 2001 an der Akademie des Tanzes Mannheim ab. Sein Erstengagement führte ihn zu John Neumeiers Hamburg Ballett, wo er 2005 zum Solisten und 2006 zum Ersten Solisten ernannt wurde. John Neumeier kreierte zahlreiche Rollen für ihn, u. a. den Engel im Weihnachtsoratorium und Walter Gropius in Purgatorio. Thiago Bordin tanzte darüber hinaus Hauptrollen in John Neumeiers Othello und den König in Illusionen – Wie Schwanensee, Oberon in Ein Sommernachtstraum und Romeo in Romeo und Julia. Des Weiteren umfasste sein Repertoire Solor in La Bayadère, James in La Sylphide und Werke von Christopher Wheeldon, Marco Goecke und viele mehr. Unter John Neumeiers Direktion wurde Thiago Bordin durch Tourneen mit dem Ensemble und durch Sologastauftritte internationale Anerkennung zuteil. 2001 debütierte er als Choreograf. Er kreierte Werke für das Bundesjugendballett und das Hamburg Ballett. Für das STAATSBALLETT KARLSRUHE schuf er Voices of Silence, Ein fremder Klang, Sibelius für B., Desiderium und zuletzt Episoden für die Ballett Gala 2018.
An internationalen Auszeichnungen bei Wettbewerben erhielt er u. a. den 1. Preis als bestes Nachwuchstalent in Joinville, Brasilien 1997, die Silbermedaille in Brasilia 1999 und den 1. Preis der Tanzstiftung Birgit Keil 2000. Beim Prix de Lausanne 2000 und ebenso beim Grand Prix d’Eurovision für junge Tänzer 2001 in Covent Garden, London war er Finalist und gewann 2001 den 1. Preis beim Wettbewerb in Helsinki. 2005 wurde er mit dem Deutschen Tanzpreis Zukunft in der Kategorie Choreografie ausgezeichnet, 2010 erhielt er den Prix Benois de la Danse. Von 2014 bis 2016 war Thiago Bordin Mitglied des NDT – Nederlands Dans Theater. Nach einem Jahr als freischaffender Choreograf kehrte er im November 2018 zurück auf die Bühne, um mit dem STAATSBALLETT KARLSRUHE in Christopher Wheeldons Schwanensee als Prinz Siegfried zu debütieren. Zukunft braucht Herkunft ist sein erstes abendfüllendes Ballett.
MUSIK Johann S. Bach, Wolfgang A. Mozart, Ludwig van Beethoven, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Richard Wagner, Igor Strawinsky, John Adams, Nils Frahm u. a.
CHOREOGRAFIE & INSZENIERUNG Thiago Bordin BÜHNE Numen & Ivana Jonke
KOSTÜME Bregje van Balen LICHT Stefan Woinke DRAMATURGIE Silke Meier-Brösicke
MIT Solist*innen & Ballettensemble des STAATSBALLETTS KARLSRUHE
Weitere Vorstellungen 3., 9.5., 2., 9., 13., 28.6., 3. & 17.7.19