Im Gegenteil: Der Goldrausch markiert die endgültige Abkehr vom Freiheitsbegriff des Menschen und die Unterwerfung unter das Regime des Kapitals. Goldrausch und Goldfieber bezeichnen präzise jene Zustände, in denen das wahnhafte Individuum die Verantwortung für sein persönliches Schicksal und Glück an eine Ideologie überantwortet, die auf gegenseitiger Ausbeutung und dem Roulettespiel des Marktes beruht.
Suters Neu-Helvetien wird ebenso wie das spätkapitalistische Gemeinwesen unserer Gesellschaften dem Boden gleich gemacht. Doch die Glücksversprechen in deren Namen der geistige und gesellschaftliche Kahlschlag vollzogen wurde, lösen sich nicht ein. Katerstimmung macht sich breit unter den Goldberauschten. In dieser Situation geht es um nicht weniger als die Wiedereroberung unseres Lebens als selbstbestimmte Subjekte. Es geht um einen kollektiven Glücksbegriffs, der einem Ideologiegemisch aus Wachstum, Konsum und Markt die Stirn bieten kann.
Titelgebend für das Projekt ist die 1935/36 realisierte Western-Verfilmung des Tiroler Regisseurs und Schauspielers Luis Trenker, der die Geschichte des Amerikapioniers Suter erzählt: Halb Gauner, halb Flüchtiger immigriert Suter dem großen Traum nach Westen folgend in die USA und baut im noch brachliegenden Kalifornien ein Imperium auf, das er schließlich an die berauschten Goldsucher verliert. Unbekümmert gegenüber den historischen Fakten verwandelt Trenker die Figur Suter im Film zu einem gegenüber Obrigkeiten aufmüpfigen Deutschen, der sich in idealisierten Natur- und Heimatbildern bewegt – eine stilistische Eigenheit der Trenker-Filme, die dazu beitrug, dass sein Werk von den faschistischen Regimen Deutschlands und Italiens instrumentalisiert wurde.
Auf der Spur von Trenker und Suter, dieser Vertreter eines alten Europas und zugleich Amerikabegeisterten, seziert Der Kaiser von Kalifornien den Topos des Abenteurers, der auch Topos des Aufbruchs in ein neues Leben ist. Die Ambivalenz dieser Bilder, die Dialektik von Heimat und Neuland, von Abschied und Aufbruch, von Not und Hoffnung finden sich im 21. Jahrhundert wie im 20. und 19. Jahrhundert. Über die Überkreuzung von Vergangenheit und Gegenwart entsteht eine Projektionsfläche der historischen und erzählerischen Ambivalenzen. Diesen Querverweisen folgend lässt Eisenach als Autor die Bilder eines alten Europas, eines alten Amerikas mit neuen, anderen und eigenen Texten kollidieren.
Deutsch mit englischen Übertiteln
Besetzung
Mit: Sólveig Arnarsdóttir, Johanna Bantzer, Manolo Bertling, Sarah Franke, Katja Gaudard, Sebastian Grünewald, Jella Haase, Robert Kuchenbuch, Daniel Nerlich, Emma Rönnebeck sowie Sven Michelson, Niklas Kraft (Musiker)
Regie: Alexander Eisenach
Bühne: Daniel Wollenzin
Kostüme: Lena Schmid, Pia Dederichs
Licht: Johannes Zotz
Video und Live-Kamera: Oliver Rossol
Dramaturgie: Hannah Schünemann
21.03.20, 19:30
28.03.20, 19:30
25.04.20, 19:30
30.04.20, 19:30