Im Zentrum steht der junge Fußballprofi Kemal, dessen Karriere nach einem Unfall ein jähes Ende findet und der nach der Rückkehr aus der Türkei in seine Heimatstadt versucht, einen neuen Platz in der Gesellschaft zu finden. »Hawaii« ist eine spannende, zuspitzende Mischung aus gesellschaftspolitischer Nahaufnahme, Roadtrip und Entwicklungsroman. Cihan Acar erhielt 2020 den Literaturpreis der Doppelfeld Stiftung und stand auf der Shortlist für den »Aspekte«-Literaturpreis. Das Theater Heilbronn hat sich die Rechte zur Theateruraufführung gesichert und mit Nurkan Erpulat einen bereits mehrfach preisgekrönten Regisseur verpflichtet, der »Hawaii« als pralle Schauspielfassung auf die Bühne des Großen Hauses bringen wird. Premiere ist am 24. September um 19.30 Uhr im Großen Haus. Wegen der eingeschränkten Platzkapazität gibt es am 25. September die Premiere B.
Zum Inhalt
Es ist heiß in Heilbronn. Die Hundstage im Juni machen aus der Industriestadt im Neckartal einen dampfenden, brodelnden Kessel, in dem es nach Suppe riecht. Von Donnerstagabend bis Sonntagmorgen läuft Kemal Arslan durch die Stadt, in der er aufgewachsen ist. Und der er schon einmal den Rücken gekehrt hatte. Der Traum von der Profifußballkarriere beim türkischen Erstligisten Gaziantepspor allerdings ist geplatzt. Kemal hatte sich zu einem Autorennen provozieren lassen. Es kam zu einem bösen Unfall mit seinem geliebten Wagen – und zu einer schlimmen Fußverletzung.
Nun ist er zwischen Allee und Theresienwiese, Heilbronn-Ost und Hawaii auf der Suche nach (s)einem Platz im Leben und wohl auch nach sich selbst. Er trifft sich mit einem halbseidenen Jungunternehmer, bei dem ihm sein Vater einen Job verschaffen will, zockt mit alten Kumpels, hat eine Begegnung mit der Döner-Mafia und versucht, seine frühere Freundin Sina wiederzuerobern. Währenddessen heizt sich der Konflikt zwischen der nationalistischen Bürgerwehr HWA (»Heilbronn, wach auf«) und der Gang der Kankas (»Blutsbrüder«) auf und mündet in eine Straßenschlacht auf der Allee. Kemal erkennt, dass er zwischen allen Stühlen sitzt und sich den ganzen Zuschreibungen der anderen Menschen entziehen will. Es muss sich etwas ändern. Er muss sich ändern.
Heimatlosigkeit
Humorvoll und sprachlich virtuos schreibt Cihan Acar über den Kampf der Kulturen, über Heimatlosigkeit und Toleranz in unserer zerrissenen Gesellschaft. Das Gefühl, nirgends zu Hause zu sein – weder in der türkischen Community in Deutschland noch in der alten Heimat, die einst von der Großeltern- und Elterngeneration verlassen wurde, treibt den Protagonisten um. Dieses Gefühl kennt Cihan Acar aus eigenem Erleben. Es sei die wesentliche Triebkraft gewesen, den Roman zu Papier zu bringen, schilderte er anlässlich der Buchpremiere im März 2020 im Heilbronner Theater.
Erfahrungen, die er auch mit Regisseur Nurkan Erpulat teilt. Der aus Ankara stammende Theater-Regisseur lebt seit vielen Jahren in Deutschland und ist der erste türkische Regie-Absolvent der renommierten Ernst-Busch-Hochschule in Berlin. Nurkan Erpulat und Andreas Frane bleiben in ihrer Bühnenadaption des Stoffes dicht an der Romanvorlage von Cihan Acar, der den Probenprozess mit großer Spannung verfolgt.
Nurkan Erpulat (Regie und Co-Autor der Bühnenfassung) wurde in Ankara geboren. Er absolvierte zunächst eine Schauspielausbildung in Izmir, bevor er in Berlin an der Hochschule Ernst Busch Regie studierte. Zu seinen frühen Projekten gehört »Jenseits – Bist Du schwul oder bist Du Türke?« am Berliner HAU. Zu seinen weiteren Regiearbeiten zählen u. a. eine Stückbearbeitung von Kafkas »Schloss« am Deutschen Theater Berlin und Maxim Gorkis »Kinder der Sonne« am Volkstheater Wien. Seine Arbeiten, teilweise im Jugendbereich, wurden zu Festivals und Gastspielen im In- und Ausland eingeladen und haben zahlreiche Preise gewonnen. So wurde unter anderem sein Stück »Clash« am Deutschen Theater zum Theatertreffen der Jugend in Berlin eingeladen. Das gemeinsam mit Jens Hillje entwickelte Stück »Verrücktes Blut« am Ballhaus Naunynstraße in Berlin wurde von Theater heute zum Stück des Jahres 2011 gewählt. Im selben Jahr zeichnete Theater heute Erpulat als Nachwuchsregisseur des Jahres aus. 2011-2013 war er als Hausregisseur am Düsseldorfer Schauspielhaus tätig. Seit 2013 ist er Hausregisseur am Berliner Maxim Gorki Theater unter Intendantin Shermin Langhoff. Seit der Spielzeit 2019/2020 gehört er dem neu gegründeten Artistic Advisory Board an, das die Intendantin Shermin Langhoff bei der künstlerischen Leitung des Gorki berät. »Hawaii« ist seine zweite Inszenierung am Theater Heilbronn. Bereits 2009 brachte er hier das Stück »Türkisch Gold« auf die Bühne, das mit großem Erfolg sieben Spielzeiten lang im Jungen Theater zu sehen war.
Für die Rolle des Kemal konnte Doǧa Gürer gewonnen werden, ein junger, in Heidelberg geborener Schauspieler mit türkischen Wurzeln. Er stand bereits für Film und Fernsehen vor der Kamera, unter anderem für »Rheingold«, den jüngsten Film von Fatih Akin, der 2022 in die Kinos kommt.
Regie: Nurkan Erpulat
Ausstattung: Gitti Scherer
Video: Bahadir Hamdemir
Musik: Michael Haves
Dramaturgie: Andreas Frane
Es spielen:
Kemal Arslan: Doǧa Gürer
Emre, Rob, Abdullah: Lucas Janson
Hakan, Security, Sohn des Dönerladenbesitzers: Ali Turp
Osman amca, Oskar, Kemals Vater, Besitzer des Dönerladens: Zlatko Maltar
Micha, Rainer, Sinas Vater: Gabriel Kemmether
Faruk, Tayfun: Burak Hoffmann
Braut, Jana, Julia, Kemals Mutter: Regina Speiseder
Sina, Moderatorin: Lisa Schwarzer
Moritz, Marco, Harry, Tyson: Arlen Konitz
Bräutigam, Paul, Uwe: Lion Leuker
Hochzeitsgäste, Kankas, Neonazis: Ensemble
Musiker: Boros Celikovic, Ferenc Mehl, Christoph Beck/Eberhard Hahn
Premiere B am 25. September, 19.30 Uhr, Großes Haus, Theater Heilbronn