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TRAUM DER WELTVERGESSENHEIT - 6. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der Liederhalle STUTTGART

am 18.6.2023

Christian Tetzlaff (Violine) war der Solist in Bela Bartoks Violinkonzert Nr. 1 aus den Jahren 1907-1908. Es ist ein klingendes Porträt der Geigerin Stefi Geyer, in die sich der 26jährige Bartok verliebt hatte. Die Solovioline eröffnete das Konzert mit einem ungewöhnlich einfühlsam gestalteten Motiv, dessen mehrgliedriges Hauptthema sich stark einprägte.

 

Das polyphone Geflecht dieser Komposition wurde vom Staatsorchester Stuttgart unter der impulsiven Leitung von Cornelius Meister minuziös offengelegt. Und auch der leidenschaftliche Gesang der Solovioline steigerte sich bei dieser Wiedergabe immer mehr. Ganz entfernt blitzte zudem die großartige Variationenkunst Bartoks auf. Christian Tetzlaff gestaltete auch die lyrischen Ruhepunkte ausgesprochen einfühlsam. Die weitgeschwungene Melodie der Solovioline stand stets im Mittelpunkt. Am Schluss des Kopfsatzes schraubte sich das geheimnisvolle Terzenmotiv sphärenhaft in die Höhe. Der zweite Satz ist ein virtuoses Porträt der lebhaften Stefi Geyer, dessen aufwärts gerichtete Intervallsprünge Christian Tetzlaff mit großer Intensität gestaltete. Schnelle Läufe und Dreiklangsbrechungen rundeten dieses rhythmisch exakte Bild ab, dessen tänzerische Holzbläser-Passagen sich ebenfalls stark einprägten.

Als Zugabe spielte Tetzlaff noch eine Solo-Piece von Johann Sebastian Bach. Anschließend folgte die konzentriert musizierte Sinfonie Nr. 5 in cis-Moll von Gustav Mahler aus dem Jahre 1902. Im ersten trauermarschartigen Satz herrschte sehr deutlich ein Ton schmerzlich-duldender Klage. Und auch das elegische Hauptthema der Streicher konnte sich in überzeugender Weise entfalten. Nach wildem Aufbäumen folgte dann wieder die präzise gespielte Marschweise. Und nach leidenschaftlichem Anstieg sank sie in Resignation zurück. Wie stark der stürmisch bewegte zweite Satz in a-Moll mit diesem Trauermarsch im Kopfsatz zusammengehört, machte Cornelius Meister mit dem Staatsorchester Stuttgart in eindringlicher Weise deutlich. Von den Celli her breitete sich bewegend eine Trostmelodie aus, in der das Schlussthema des ersten Satzes in geheimnisvoller Weise nachklang.

Das Gefühl des Feierlichen wurde von Cornelius Meister und dem Staatsorchester Stuttgart nie vernachlässigt. Eine doppelte und grelle Anklage war die Antwort, dann meldete sich über dumpfem Paukenwirbel eine sehr versöhnlich gestaltete Melodie. Nach dem qualvollen  Aufruhr der Elemente triumphierte zuletzt ein gewaltiger Choral. Erdnahe Daseinsfreude dominierte im Scherzo in D-Dur, wo neben einer aufstampfenden Tanzmelodie Naturlaute, lustige Hornrufe und träumerische Weisen erklangen.

Im eigentlich seiner Frau Alma gewidmeten Adagietto dominierte eine Weise im Stil von "Ich bin der Welt abhanden gekommen". Im sphärenhaften Klang von Streichern und Harfe blühte ein Traum der Einsamkeit und Weltvergessenheit auf, der aber nicht sentimental musiziert wurde. Hervorragend gelang die zündende Wiedergabe des Rondo-Finale, wo sich Themenreichtum und kunstvolle Arbeit ergänzten. Vor allem die grandiose Doppelfuge mit Choral konnte sich bestens entfalten. Kraft und Tatendrang der Themen kamen nicht zu kurz. Jubel.
 

 

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