Die Musik reicht aber weit darüber hinaus, und auch die Inszenierung von Regisseurin Magdalena Fuchsberger betont die psychologische Komponente der Handlung: Im Fokus steht eine Sucht- geschichte, die von Selbstwertgefühl und Lebenshunger, Alltagsflucht und Abhängigkeit erzählt.
»Du könntest eine Blowjob-Arie schreiben. Am Anfang mit Worten und am Schluss mit Glucksen.« Mit diesem verlockenden Vorschlag hatte Librettist Philip Hensher 1995 den erst 23-jährigen Thomas Adès überzeugt, die Musik für diese Kammeroper zu schreiben. Die Partitur vereint Anklänge an Weill, Strawinsky, Britten und den Tango Nuevo eines Astor Piazzolla mit Einflüssen von Music Hall und Jazz. Mit seiner Kammeroper setzte Adès der britischen Society-Lady Margaret Campbell, der Herzogin von Argyll, ein Denkmal.
Die für ihre sexuellen Eskapaden berüchtigte, als »Dirty Duchess« verschriene Campbell bewegte sich in höchsten gesellschaftlichen Kreisen und war für ihre Schönheit genauso berühmt wie für ihren Snobismus. 1963 kam es zu einem aufsehenerregenden Scheidungsprozess, in dem ihr selbst promisk lebender Ehemann dem Gericht Fotos vorlegte, die die Herzogin beim Oralverkehr mit einem fremden Mann zeigten. Der Kopf des Mannes ist auf dem Foto nicht zu sehen, und der Unbekannte ging als »Headless Man« in die Geschichte der britischen Boulevardpresse ein. Für deren Leser wurden die Fotos zum Inbegriff der Verdorbenheit einer lasterhaften Upperclass.
Regisseurin Magdalena Fuchsberger sieht in »Powder Her Face« viel mehr als die Vertonung einer ehemals skandalösen Vita: Ihre Inszenierung nimmt die persönliche Tragödie der Herzogin in den Fokus, ihren unstillbaren Hunger nach Selbstbestätigung, ihre Suchtgeschichte und die auch dadurch bedingte Vereinsamung. Diese Deutung wird unterstützt durch Thomas Adès’ Musik: Diese ist weitaus mehr als die akustische Illustration sexueller Praktiken; sie zeichnet ein tiefgründiges, einfühlsames Porträt der Herzogin aus der Sicht ihres letzten Lebensabschnittes und mit zahlreichen Rückblenden.
Bühnenbildner Dirk Steffen Göpfert hat dazu passend einen doppelten Raum geschaffen: Ein etwas nach hinten versetztes Hotelzimmer ist der verbliebene Ort, in dem die alternde Herzogin ihr soziales Leben führt. Im vorderen Teil der Bühne als nicht-realistischem »Seelenraum« wird das psychologisch-emotionale Geschehen in der subjektiven Wahrnehmung der Herzogin gezeigt. Auch die Kostüme von Kathrin Hegedüsch beziehen sich auf diese beiden Wahrnehmungs-Ebenen: Für die Szenen im Hotelzimmer sind sie zeitlos-formal, in den Sequenzen im vorderen Teil der Bühne sind sie als Traumfiguren angelegt.
Die musikalische Leitung liegt in den bewährten Händen von Hans Rotman, der dem Magdeburger Publikum durch seine Pionierarbeit beim IMPULS-Festival sowie durch zahlreiche Dirigate vernehmlich neuer Musik bekannt ist. Insgesamt 15 Musiker der Magdeburgischen Philharmonie werden bei der Aufführung dieser Kammeroper mit auf der Bühne des Schauspielhauses sitzen.
Kammeroper in zwei Akten von Thomas Adès
Libretto von Philip Hensher | In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Musikalische Leitung Hans Rotman
Regie Magdalena Fuchsberger
Bühne Dirk Steffen Göpfert
Kostüme Kathrin Hegedüsch
Dramaturgie Thomas Schmidt-Ehrenberg
Herzogin Noa Danon
Zimmermädchen Julie Martin du Theil
Elektriker Jonathan Winell
Hotelmanager Paul Sketris
Magdeburgische Philharmonie
Vorstellungen Fr. 6. 4./ Do. 19. 4./ So. 29. 4./ Fr. 25. 5.
Karten Premiere: 24 € / ermäßigt 14 €
Karten weitere Vorstellungen: 20 € / ermäßigt 10 €
Reservierung und Kauf an der Theaterkasse telefonisch: (0391) 40 490 490, online:
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