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Theater Winterthur zeigt "Medeia" von Euripides

20., 21. und 22.März 2007 um 19.30 Uhr.

 

Wie kann eine Mutter – ganz offenbar bei klarem Verstand – ihre Kinder erschlagen? Welches Drama geht in ihr vor und welches Drama ist dem vorausgegangen?

 Die Königstochter Medeia, die Fremde aus dem Barbarenland Kolchis, wird von ihrem Mann Jason verstossen. Er will die schöne Tochter Kreons heiraten, des Königs von Korinth. Medeia soll aus Griechenland ausgewiesen werden, denn Kreon fürchtet ihre magischen Kräfte. Medeia hatte Jason einst geholfen, das Goldene Vlies zu rauben – den wertvollsten Besitz ihres Vaters. Für ihn hatte sie ihre Familie zurückgelassen und verraten, und für ihn hatte sie sogar ihren eigenen Bruder getötet und war in eine für sie fremde Welt nach Griechenland geflohen. Dort blieb sie ohne jegliche Rechte. So übermächtig Medeias Liebe für Jason einst war, so rasend ist nun, angesichts der nicht endenden Demütigungen, ihr flammender Zorn. Sie rächt sich grausam und tötet dabei auch ihre eigenen Söhne.  

 

Es geht um weit mehr als Eifersucht und Geschlechterkampf. Medeia will überleben, um auf ihre Art Siegerin zu sein. Ihre Tat, ihr Ruhm soll so ausserordentlich sein, dass er den Makel des Verlassenseins tilgt. Medeia reagiert nicht, sie agiert. In der Figur der Medeia zeigt sich ein ungewöhnlich provozierender Weiblichkeitsentwurf: Eine Frau, die ihr Recht auf Autonomie und Selbstbehauptung einfordert und eine große Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstbestimmung besitzt. Ihre Widersprüchlichkeit zwischen mütterlicher Liebe und ihrem Leiden auf der einen Seite und dem unaufhaltsamen Wunsch nach Rache für die erlittene Ehrverletzung andererseits. Diese innere Ambivalenz einer um die Verwirklichung des eigenen, radikalen Lebensentwurfes kämpfenden Frau macht Medeia zu einer überaus modernen Figur. Sie verkörpert nicht nur eine neue Dimension des Weiblichen, sondern sprengt die im westlichen Denken vorherrschenden Gegensätze zwischen Natur und Kultur sowie zwischen Körper und Geist, vor allem aber denjenigen zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit. Sie steht gleichzeitig für den Aufstand gegen die neue Ordnung, die keine Ordnung mehr sein wird.  

 

Eine Produktion des Bayerischen Staatsschauspiels, Residenztheater München

Deutsch von Peter Krumme Regie: Tina Lanik / Bühne: Magdalena Gut / Kostüme: Su Sigmund / Musik: Rainer Jörissen   Mit: Lena Dörrie, Stephanie Leue, Barbara Melzl, Eva Schuckardt, Rainer Bock, Stefan Hunstein, Guido Lambrecht, Fred Stillkrauth  

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