Auch hundert Jahre nach der Entstehung wird "Lulu" auf der Bühne immer wieder neu interpretiert und inszeniert.
Jeder Mann verfällt dem Zauber von Lulu. Als Sinnbild der Verführerin reißt sie alle um sich herum in den Abgrund: Den alten Medizinalrat Dr. Goll, den mittelmäßigen Kunstmaler Schwarz, ihren "Ziehvater" Dr. Schön, dessen Sohn Alwa, den Artisten Rodrigo Quast und die lesbische Gräfin Geschwitz - alle erliegen Lulus Reizen und bezahlen mit dem Leben. Nur einer überlebt: ihr Vater Schigolch. Lulu, das missbrauchte Kind, das nach Liebe sucht, verführt und bezaubert alle. Doch die Macht ihrer Verführungskunst hat ihren Preis: Lulus steilem gesellschaftlichen Aufstieg als respektable Gattin dreier Männer folgt der rasante Abstieg zur Prostituierten auf dem Straßenstrich. Der Kreis schließt sich: sie kehrt in die Gosse zurück, aus der sie gekommen ist. Jack the Ripper heißt ihr letzter Freier.
Die Buchausgabe von Frank Wedekinds Stück "Die Büchse der Pandora", quasi 2. Teil von "Der Erdgeist", wird 1904 wegen Unzüchtigkeit beschlagnahmt. Beide später als "Lulu" aufgeführte Dramen gehören mittlerweile zum Bestand der Weltliteratur und neben "Frühlings Erwachen" zu den bekanntesten Werken Frank Wedekinds. Der Autor selbst spielte in vielen Inszenierungen Anfang des 20. Jahrhunderts fast alle Männerrollen des Stücks. Lulu ist auch heute nicht von den Spielplänen der Sprechtheater und der Oper - Vertonung: Alban Berg - wegzudenken.
Wedekind hatte den Ruf eines unmoralischen Dramatikers und das setzte ihn immer wieder den Verfolgungen durch die Zensur aus. Er war aber ein Moralist, der die Schönheit der Begierde höher schätzte als die Heuchelei, mit der seine Zeitgenossen die Sinnlichkeit verleugneten.
"Wedekinds Bühnengestalten sind keine zahmen Alltagsmenschen, sondern fleischgewordene Leidenschaft. Die Frauen sind die Leidenschaft der Sinnlichkeit; die Männer sind die Leidenschaft, einen Gedanken bis zur letzten Konsequenz zu durchleben, wobei ihnen ihre zweite Leidenschaft, die sie zur Frau treibt, meist in die Quere kommt - das ergibt einen teils schauerlichen, teils komischen Effekt."
Regie: Arne Retzlaff a.G.; Ausstattung: Stefan Wiel
a.G.
Darsteller: Lilli Jung ( Lulu); Rainer Gruß, Jan
Mickan, Michael Lorenz a.G., Ralph Hensel, Armin
Wagner, Marcus Staiger, Heike Ostendorp, Thorsten
Köhler