Seit dem Mittelalter geistert der Gral als Inbegriff des Utopischen durch die Geschichte. Es gibt wenig, was seine magische Aura nicht versöhnen sollte: Gott und Mensch, Natur und Wissenschaft, Indiana Jones und seinen Vater. Held der Suche nach dem Gral ist ein roter Ritter namens Parzival. Zum Kernbestand der Legende gehört die Naivität des weltfern aufgezogenen Jungen, sein Aufbruch aus dem Wald der Kindheit im Zeichen eines brechenden Mutterherzens, seine mörderische Jugend, die Erziehung zum Artus-Ritter, die fatal unterdrückte Sinn-Frage im Angesicht des Grals, mithin das Scheitern der Erlösung des leidenden Fischerkönigs, und die verzweifelte Gralsuche im Zeichen von Einsamkeit und Gottferne.
Tankred Dorst überführt die alte Geschichte in einen faszinierenden Bilderbogen, der im Schicksal der Hauptfigur das Schicksal unserer Zivilisation selbst nachzeichnet: unsere magischen Anfänge im Schoß der Natur, Erwachsenwerden als Prozess der (Selbst-)Beherrschung und Naturüberwindung. Gereift landet Parzival am Schluss im „Wüsten Land“ einer gefrorenen Gegenwart, für das die eiserne Ruine des Oberhausener Gasometers das ideale Spielfeld liefert. Oft als „Kathedrale der Industriekultur“ bezeichnet, sprengt der Gasometer in seinen gigantischen Dimensionen jedes menschliche Maß. An diesem abweisenden, nie für Menschen konzipierten Ort treffen Mittelalter und Moderne, treffen hymnische Religion und nüchterne Wissenschaft aufeinander, die Riesentonne wird zur Gralsburg der Modernehttp://ww! w.theater-oberhausen.de.
Dorsts Gral bleibt, als Instrument einer Versöhnung von Mensch und Natur, unerreichbar. Johannes Leppers Inszenierung pointiert dies als Abgesang auf den Traum einer Selbstvergöttlichung des Menschen durch die Allmacht der technischen Vernunft. In der Oberhausener Ruine kreist, was einst ihre Herrschaft anzeigte, ein gigantisches „Foucaultsches“ Pendel, an dem die Erde selbst dreht. Im 19. Jahrhundert „allen Göttern“ (der Moderne) geweiht, aufgehängt im Herzen des Pariser „Pantheon“, markierte es einen Gral des wissenschaftlichen Zeitalters. Doch wo stehen wir heute, da wir erkennen, dass der Traum von der Beherrschung der Natur in ihre Zerstörung führt. Welche Träume, Utopien, Hoffnungen bleiben uns? Gibt es noch Leben im Wüsten Land?
Zwei bedeutende Kooperationspartner haben wir für das Parzival-Projekt gewonnen: Lutz-Helmut Schön, Professor für Didaktik der Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin, installiert für die Inszenierung das längste Foucaultsche Pendel Europas in den Gasometer mit einer Fadenlänge von 95 Metern und einer 100 kg schweren Eisenkugel mit 30 cm Durchmesser, die in einer Höhe von 2,50 Meter über der bespielten Plattform schwingen wird. Als Dramaturg wird Prof. Dr. Guido Hiß, Inhaber des Lehrstuhls für Theaterwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und als Herausgeber der Jahresschrift “Theater über Tage” langjähriger Beobachter der Oberhausener Außenprojekte, das Vorhaben wissenschaftlich betreuen und von den Studierenden seines Hauptseminars thematisch begleiten lassen. Die Premierenkarten von “Parzival” kosten 18,- Euro, die Karten für die Vorstellungen 16,- Euro, ermäßigt 9,- Euro.