Die einsame Stella nimmt auch Cäcilie in ihr Haus auf. „Ganz Herz, ganz Gefühl“, erkennt Stella in Cäcilie die Schicksalsgenossin und führt die neue Freundin vor ein Bild ihres verlorenen Geliebten. Cäcilie erkennt darin ihren eigenen Mann. Vergeblich versucht sie zu fliehen, als auch Fernando auftaucht und Stella ihn als ihren verlorenen Geliebten überschwänglich empfängt und zurücknimmt. Von Stella beauftragt, soll Fernando Mutter und Tochter zum Bleiben bewegen und steht unvermutet in Cäcilie seiner verlassenen Frau gegenüber – und ebenso unvermutet entschließt er sich, mit ihr und
Lucie zu fliehen.
Doch auch diese Flucht misslingt. Stella bricht zusammen, als sie die Zusammenhänge begreift. Verzweifelt will Fernando sich erschießen. Da löst Cäcilie den verworrenen Knoten durch einen kühnen Vorschlag, der allen entgegenkommt: „seelig eine Wohnung, ein Bett, und ein Grab“. Ein Wirbelsturm der Liebe – kein anderes Werk Goethes verzichtet so sehr auf eine syntaktisch geregelte Sprache: Stella ist passagenweise eine Partitur von Ausrufen, Satzfetzen und Gedankenstrichen – ein Spiegel hochgradiger Emotionalität.
Und kein Werk des jungen Goethe hat nach Werther unter den Zeitgenossen so viel Staub aufgewirbelt wie Stella. Die von Fernando, Stella und Cäcilie als akzeptable Lösung empfundene Ehe zu dritt löste bei Goethes Zeitgenossen Empörung aus, die bis zum Aufführungsverbot reichte. „Ich dachte, die Schaubühne hätte den Zweck, die Tugend als reizend und die Laster als abscheulich und verderblich darzustellen.“ (Hauptpastor Goeze, auch Lessings Widerpart, in einem entrüsteten Kommentar). 1775, zum Zeitpunkt der Entstehung von Stella, war Goethe mit der Frankfurter Bankierstochter Lili Schönemann verlobt. Gleichzeitig hatte er zu seiner Schwester Cornelia eine innige Beziehung, weshalb das Stück häufig als „Wunscherfüllungsphantasie“ interpretiert wurde. Für die erste Weimarer Theateraufführung 1805 überarbeitete Goethe die von ihm „Ein Schauspiel für Liebende“ genannte Urfassung auf Schillers Rat hin und ließ das Stück als Tragödie enden: Stella und Fernando begehen Selbstmord.
ZUR INSZENIERUNG
Johannes von Matuschka, der die vergangene Spielzeit in den Kammerspielen mit Jean Anouilhs Antigone eröffnete, hat im konzentrierten Raum des Eisenhand dieses von der Intensität und Unbedingtheit der Gefühle geprägte Stück, das die Einheit von Zeit und Raum wahrt, in Szene gesetzt - in einer auf vier Personen reduzierten Besetzung. Der Geräuschemacher Max Bauer aus Berlin, im Hauptberuf mit der Nachvertonung von Filmen beschäftigt, hat die Inszenierung begleitet und in Workshops mit den Schauspielern ein ganz eigenes Tonkonzept für „Stella“ entwickelt - „Kopfkino“
sozusagen.
Inszenierung und Bühnenidee Johannes von Matuschka
Bühneneinrichtung und Kostüme Christian Schmidleithner
Geräusche / Musik Max Bauer
Dramaturgie Kathrin Bieligk
Cäcilie Katharina Hofmann
Lucie Henriette Schmidt
Stella Katharina Vötter
Fernando Christian Manuel Oliveira