Zorro kennt man als einen gewissen freundlich-farblosen Diego de la Vega. Aber plötzlich wird er zum unbesiegbaren, maskierten schwarzen Rächer, einem Retter für alle. Vor gut hundert Jahren populär geworden, ist er der Ur-Held mit der doppelten Identität, der Vorfahre von Wonder Woman. Die Gefahr, gegen die sie kämpfen, ist so gewöhnlich wie ungewöhnlich – sie lauert im Gang der Dinge und wie wir sie tun. Beide sagen einem uralten Erbe der Menschheit den Kampf an. Wo sie erscheinen, sind Menschen unfair und zynisch. Wir hören ein dumpfes Summen, das Gefühl einer Schuld, das wir so gern ins Unwirkliche zerreden würden.
Der italienische Regisseur Antonio Latella, von 2017 bis 2020 Leiter der Biennale Teatro Venedig und mit „Eine göttliche Komödie. Dante ‹ › Pasolini“ eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2020, macht aus „Zorro“ und „Wonder Woman“ zwei flirrende, wilde und unterhaltsame Karussellfahrten: Jeweils vier Figuren fliegen in den Himmel und mit jeder Drehung, jeder Quadrille, bekommen sie es mit Armut, Unterdrückung, Gerechtigkeit und der Möglichkeit einer Gemeinschaft zu tun: singend, lachend und verzweifelnd an sich und an der Welt.
ZORRO
Ein armer Mann, ein Polizist, ein Stummer und ein Pferd finden sich einer Art Niemandsland wieder, in dem es nur Platz für Konfrontation gibt. Sie sind Archetypen, die ständig ihre Rollen tauschen, wie in einem langen verbalen Tanz, einer Quadrille, in der jeder, der Reihe nach, den Platz des anderen einnimmt. Der arme Mann und seine beiden Begleiter, die auf jemanden warten, der vielleicht nicht kommt, streiten sich mit dem Polizisten über einige der grundlegenden Fragen des gesellschaftlichen Lebens: Die Einkommensverteilung, die soziale Ungleichheit, die Armut als Wahl oder aufgezwungene Bedingung, die Desillusionierungen durch den Fortschrittsmythos werden zum Gegenstand eines Dialogs zwischen scheinbar unversöhnlichen Charakteren, die nach und nach unweigerlich entdecken, dass sie sich ähnlich sind.
Im Hintergrund eine Gesellschaft, die ihre ursprüngliche Aufgabe von Gemeinschaft und Solidarität längst verloren hat, eine Ansammlung von Individualitäten, die, um sich selbst zu finden, vielleicht etwas Übermenschliches braucht, einen maskierten Helden mit übernatürlichen Eigenschaften, der die Probleme aller im Alleingang lösen kann.
Zorros Z verleitet die vier Schauspieler zu ihren Choreografien, denn darin verbirgt sich das Zeichen der Hoffnung, die Zukunft positiv zu beeinflussen, die es nur durch gegenseitige Akzeptanz und Verständnis geben kann.
Es spielen: Michele Andrei, Emilio De Marchi, Gunnar Golkowski, Markus Paul
WONDER WOMAN
Im Jahr 2015 sprach ein italienisches Gericht einige Jungen vom Vorwurf der Vergewaltigung frei, indem es dem Opfer, einem 18-jährigen Mädchen, ein durchtriebenes und opportunistisches Verhalten zuschrieb und außerdem die Nicht-Schuld der Meute auf der Grundlage einer angeblichen „Männlichkeit" des Mädchens feststellte, das daher als zu unattraktiv galt, um eine ähnliche Handlung zu rechtfertigen.
„Wonder Woman“ nutzt diese Schreckensnachricht, um zu hinterfragen, wie viele und welche Wege die Wahrheit nehmen kann, ob sie von der Justiz oder dem gesunden Menschenverstand sanktioniert wird, wie sie manipulierbar ist und einer Vielzahl von Standpunkten unterliegt.
Wonder Woman, Königin der Amazonen, als Comic aus dem Genie von Professor Marston, dem Erfinder des Lügendetektors, geboren, wird nicht nur zu einem möglichen Symbol für die Emanzipation der Frau, sondern vor allem wird sie zu derjenigen, die die Überwindung aller Lügen zugunsten der wirklichen Objektivität der Dinge fordert. Mit ihrem Lasso, dem Lasso der Wahrheit, bringt sie ihre Feinde dazu, die Wahrheit zu sagen.
Es spielen: Sigrun Fischer, Ariadne Pabst, Lisa Schützenberger, Anouk Wagener
Die Inszenierungen werden als Einzelvorstellungen gezeigt; als Doppelabend außer zur Premiere in der Spielzeit 21.22. noch einmal am Sonntag, 26. Dezember 2021, 18 Uhr.
www.staatstheater-cottbus.de