Mit Bovary präsentiert Christian Spuck am 20. Oktober 2023 seine erste Kreation als neuer Intendant des Staatsballetts Berlin. Seit August 2023 leitet er die Kompanie und probt mit den Tänzer*innen sein Tanzstück, das von Gustave Flauberts Roman Madame Bovary inspiriert ist. Es handelt von der Landarztgattin Emma Bovary, die sich aus ihrem eintönigen Leben mithilfe von Groschenromanen, Liebhabern und Einkaufs-Exzessen davonträumt und schließlich an der Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit zugrunde geht. Choreograph Christian Spuck sieht darin Parallelen zur heutigen Zeit: „Der Wunsch, anders sein zu wollen, als man ist, und sich in der Folge über Konsum diese Wunschwelten zu erschaffen - das finde ich wichtig zu erzählen.“
Gustave Flauberts Roman Madame Bovary zählt zu den Meisterwerken der Weltliteratur und weist den Weg in die literarische Moderne. Mit der Veröffentlichung im Jahr 1856 löste der französische Schriftsteller einen Skandal aus. Man warf ihm «Verherrlichung des Ehebruchs vor und klagte ihn an wegen Verstoßes gegen die öffentliche und religiöse Moral sowie gegen die Sittlichkeit». Der Roman erzählt die Geschichte einer jungen Frau vom Land, die mehr will vom Leben als das erstickende Provinzdasein an der Seite eines kleinbürgerlich ambitionslosen Ehemanns. Emma Bovary begehrt auf gegen ihre Ehe, nimmt sich Liebhaber, verliert sich in Träumen von Leidenschaft, Luxus und Ausschweifung – und scheitert. Sie verschuldet sich heillos, ruiniert ihre Familie und begeht Selbstmord, indem sie Gift nimmt.
Nach Flauberts berühmtem Roman ist das Phänomen des ‹Bovarismus› benannt, einer Form von Realitätsverleugnung: Emma Bovary begegnet ihrem langweiligen Leben in der Provinz mit einer übersteigerten Einbildungskraft, die sie durch die Lektüre von Groschenromanen und Pariser Modezeitschriften nährt. Sie liebt im Stile ihrer kitschig-romantischen Wunschwelten, lebt über ihre Verhältnisse und verliert den Blick für die Wirklichkeit. Auf den Theaterbühnen und vor allem im Ballett ist Madame Bovary , gemessen an seinem literarischen Ruhm, ein vergleichsweise selten anzutreffender Stoff. Zu kühl und zu detailversessen realistisch erscheint Flauberts Erzählstil für eine Bühnen-Adaption. Aber genau diese distanzierte sprachliche Präzision bei gleichzeitiger totaler Hingabe an seinen Gegenstand inspiriert.
Die weibliche Außenseiterfigur steht im Zentrum dieser neuen Kreation, die Madame Bovary nicht als konventionelles Handlungsballett erzählen, sondern die narrativen Strukturen aufbrechen und sich dem Stoff mit tänzerischer Abstraktion und intimer Seelenbeobachtung nähern will, ohne die Geschichte aus den Augen zu verlieren. Christian Spucks Tanzstück Bovary handelt von der Suche nach weiblicher Selbstbestimmung, von Rausch und Einsamkeit, von Liebessurrogaten, Selbstverschwendung, Genusssucht und wohin es führt, wenn sich Wunschwelten und Wirklichkeit fatal überlagern. Dem literarischen Stoff mit dunkel-poetischen Bildwelten und feinem Humor zu begegnen; eine Geschichte nicht um des Erzählens willen zu erzählen, sondern um in die Innenwelten der Figuren vorzudringen und Tanz werden zu lassen, ist Konzept dieser neuen Produktion für das Staatsballett Berlin.
Tanzstück von Christian Spuck
nach dem Roman von Gustave Flaubert
Musik von Camille Saint-Saëns, Thierry Pécou und György Ligeti u.a.
Choreographie und Inszenierung Christian Spuck
Bühne Rufus Didwiszus
Kostüme Emma Ryott
Licht Martin Gebhardt
Dramaturgie und Libretto Claus Spahn
Video Tieni Burckhalter
Musikalische Leitung Jonathan Stockhammer
Klavier Adrian Oetiker, Alina Pronina
Besetzung
Bühne
Rufus Didwiszus
Choreographie und Inszenierung
Christian Spuck
Kostüme
Emma Ryott
Licht
Martin Gebhardt
Dramaturgie und Libretto
Claus Spahn
Video
Tieni Burkhalter
Sprecherin
Marina Frenk
Musikalische Leitung
Jonathan Stockhammer
Jonathan Stockhammer
Léon, Liebhaber
Alexandre Cagnat
Charles Bovary
Alexei Orlenco
Emma Bovary
Weronika Frodyma
Rodolphe, Liebhaber
David Soares
Félicité
Vivian Assal Koohnavard
Monsieur Homais, Apotheker
Matthew Knight
Monsieur Lheureux, Warenhändler
Dominik White Slavkovský
Monsieur Guillaumin, Notar
Dominic Whitbrook
Monsieur Tuvache, Bürgermeister
Wolf Hoeyberghs
Monsieur Hareng, Gerichtsvollzieher
Ross Martinson
Klavier
Adrian Oetiker
Orchester der Deutschen Oper Berlin
Aufführungen
24. | 27. | 30. | 31. Oktober 2023
18., 19., 21., 22. Januar 2024
Deutsche Oper Berlin