Lessing nun widmet Nathans Ringen um Rückkehr ins Leben sein Stück. Sein Heilsweg: die Ziehtochter Recha. Denn das ist das Unfassbare: Der Jude Nathan wird sich einer Christin annehmen, auch wenn Christen es waren, die seine Familie auslöschten. Und das in Zeiten, da Kreuzzügler Häuser wieder abbrennen. Da ein Sultan christliche Tempelherren hinrichten lässt. Nathan, dem Unerhörtes widerfuhr, muss, um nicht zu verzweifeln, hier und jetzt Unerhörtes wagen: er will den Menschen (er)finden, der in Würde aus sich selbst heraus frei sein kann. Den Lohn, den es den Menschen einbringen wird, dorthin emporzusteigen, will Lessing taxieren, von den Kosten schweigt er – Jelinek bringt gerade sie zur Sprache. »Abraumhalde« heißt ihr Nathan-Kommentar, kein Stein der Lessingschen Moral-Fantasie wird an seinem Ende mehr auf dem anderen stehen.
Wäre es Lessing auch nur für einen Moment gelungen, die Welt über sich selbst hinaus zu heben, Jelinek entzaubert die Verzauberung. Sie macht Kassensturz, wo auch Lessing wusste, dass sie bis auf den Grund leer ist – und er sie vielleicht eben deshalb mit seinem »Nathan« utopisch anfüllte.
Es spielen Christoph Bantzer, Philipp Hochmair, Felix Knopp, Katharina Matz, Sebastian Rudolph, Birte Schnöink, Maja Schöne und Patrycia Ziolkowska
Regie: Nicolas Stemann, Bühne: Katrin Nottrodt, Kostüme: Marysol del Castillo, Musik: Sebastian Vogel/ Thomas Kürstner, Video: Claudia Lehmann, Dramaturgie: Benjamin von Blomberg
Koproduktion des Thalia Theater Hamburg
Weitere Vorstellungen im Mai und Juni 2010