2006 war das Gedenkjahr zweier Theatergenies, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Bertolt Brecht, der vor 50 Jahren verstarb und Samuel Beckett, der im April 100 Jahre alt geworden wäre. Beide beeinflussten das Theater nach 1945 in maßgeblicher Weise. Nach dem Erlebnis einer Jahrhundertkatastrophe schrieb Brecht - getrieben von dem unbeirrbaren Glauben an die Veränderbarkeit der Welt zum Besseren hin – politisch engagierte und aufklärerisch orientierte Lehrstücke, während Beckett dem Verlust der Ideale und der Vernichtung der Hoffnung, der Ziellosigkeit und dem Scheitern der Menschen, ja dem Nichts Sprache verlieh.
Samuel Barclay Beckett wurde am 13. April 1906 in Foxrock, einem südlichen Vorort von Dublin, als zweiter Sohn einer protestantischen Familie geboren. Er studierte in Dublin Französisch, Italienisch und Neuere Literatur und arbeitete danach als Lehrer in Belfast. Nach der Kündigung des Lehrauftrags verließ er Irland und arbeitete von 1928 bis 1930 als Lektor an der "Ecole Normale Supérieure" in Paris. In dieser Zeit begann der Ire zu schreiben. 1929 wurden erste Arbeiten veröffentlicht. Während des 2. Weltkrieges war Beckett Mitglied der französischen Widerstandsbewegung "Résistance". Nach dem Krieg veröffentlichte er zahlreiche Romane und Theaterstücke. Seinen Durchbruch als Dramatiker erreichte er mit dem berühmten Stück "Warten auf Godot", dass 1952 – zur Blütezeit des Berliner Ensembles Brechts – in einem Pariser Kleintheater uraufgeführt wurde. Mit diesem Drama erlangte der Autor internationale Bedeutung. 1957 folgte "Das Endspiel", "Das letzte Band" erschien 1959, zwei Jahre später wurde "Glückliche Tage" veröffentlicht, womit nur die bekanntesten Stücke genannt seien.
1969 erhielt Beckett den Literatur-Nobelpreis für sein Werk, in der Begründung hieß es: "Für eine Dichtung, die in neuen Formen des Romans und des Dramas, die künstlerische Aufrichtung des Menschen aus seiner Verlassenheit erreicht."
Am 22. Dezember 1989 starb der Autor in Paris an den Folgen einer Lungenembolie.
Mit seinen absurden Stücken brach Beckett konventionelle Theatercodes. In „Warten auf Godot“ befinden sich die Figuren Wladimir und Estragon in einem entmaterialisierten Raum, eine dunkle Bühne, ein karger Baum an einer Landstraße, die aus dem Nirgendwo kommt und ins Nirgendwo führt. Die Figuren haben keine Erinnerungen, keine Ziele, keine Identität. Ihr Dasein begründet sich in dem gemeinsamen sinnlosen Warten auf Godot. Ihre Nonsens-Dialoge beschreiben keine Handlung und führen zu keiner Aktion. Sie bieten keine Erklärung, keine Erkenntnis. Die Sprache ist ihrer Funktion beraubt. Beckett zeigt Menschen, die nach Krieg, Holocaust und Atombombe sich die Welt nicht mehr erklären können – weder durch Religion und Philosophie noch durch geschichtliche Erkenntnis. Was bleibt ist das große Nichts.
Becketts Dramen:
Warten auf Godot (1952 )
Spiel ohne Worte I (1957)
Das Endspiel (1957)
Spiel ohne Worte II (1959 )
Das letzte Band (1959 )
Glückliche Tage (1961)
Spiel (1963)
Atem (1969)
Nicht ich (1973 )
Damals (1974 )
Tritte (1975 )
Drei Gelegenheitsstücke (1983)
Was Wo (1983)
Literaturhinweise:
Samuel Beckett: Dramatische Werke I. Theaterstücke. Suhrkamp.
Samuel Beckett: Dramatische Werke II. Hörspiele. Filme. Suhrkamp.
Samuel Beckett: Werke in fünf Bänden. Suhrkamp.
James Knowlson: Samuel Beckett - Eine Biographie. Suhrkamp.