Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Rothschilds Geige/Die Entscheidung/Herzland - Zwei Kammeropern und eine Erzählung in der Bayerischen Staatsoper MünchenRothschilds Geige/Die Entscheidung/Herzland - Zwei Kammeropern und eine...Rothschilds Geige/Die...

Rothschilds Geige/Die Entscheidung/Herzland - Zwei Kammeropern und eine Erzählung in der Bayerischen Staatsoper München

Premiere 04.02.2011, 20 Uhr, Marstall

 

Zwei Kammeropern und eine Erzählung blicken auf drei ganz unterschiedliche fiktive und reale Biographien, die alle von einem Schwanken zwischen Glauben und Zweifel, zwischen Selbstbestimmtheit und Schicksalsergebenheit, Erfahrung von Verlust und Endlichkeit und der Lust nach Lebendigkeit gezeichnet sind.

Nur wenige Werke des 1941 bei der Verteidigung Leningrads mit 27 Jahren gefallenen Komponisten Benjamin Fleischmann haben den Krieg überlebt. Die Oper Rothschilds Geige entkam in den Händen von Fleischmanns Lehrer Dmitri Schostakowitsch bei dessen Evakuierung aus der belagerten Stadt. Noch während des Krieges vollendete und orchestrierte der sie – im Andenken an seinen Schüler. Doch zögerte er, sie zu veröffentlichen, so dass sie die Jahre stalinistisch gefärbten Antisemitismus in der Schublade überdauerte, bevor es erst 1960 zur konzertanten und 1968 zur szenischen Uraufführung kam.

 

So sehr die Geschichte des 20. Jahrhunderts diese Oper begleitet, so universell ist die Fabel Tschechows wie die Fleischmanns: Der Sargmacher Jakow Matwejewitsch Iwanow, genannt Bronze, der als Geiger im jüdischen Orchester seines Städtchens bei Hochzeiten aushilft, macht eine pessimistische Erkenntnis: Auf das wirkliche Leben hat er gewartet, während es an ihm, der ganz auf die Arbeit und das tägliche Auskommen bedacht war, schon unbemerkt vorüber gezogen ist. Als seine Frau Marfa stirbt, erscheint ihm das menschliche Dasein sinnlos. Doch wandelt sich sein Blick auf die Welt: Bevor er diese verlässt, überlässt er seine Geige dem gehasst-beneideten Flötisten Rothschild, der auf ihr ganz andere Töne anstimmt.

 

Hanna Krall erinnert sich in Die Entscheidung an den an Aids erkrankten Freund eines Freundes: Peter Schock, ein kultivierter Mensch, der ihr aber fremd blieb. Als seine Krankheit unheilbar fortschreitet, wählt der den Weg der Euthanasie und arrangiert bis ins kleinste Teil seinen feierlichen Abschied. Irgendwo zwischen Bette Midler und seiner Identifikation mit dem europäischen Judentum schafft er sich auf kitschige und doch menschliche Weise einen Abglanz von Glauben. Die wie in allen Ihren Erzählungen um Distanz und Objektivität ringende Autorin kann sich jedoch von der Verlegenheit, die Schocks Selbstinszenierung ihr bereitet, kaum freimachen.

 

Für die Kammeroper Herzland griff die 1980 geborene Komponistin Sarah Nemtsov auf den Briefwechsel zwischen dem Dichter Paul Celan und seiner Frau Gisèle Celan-Lestrange zurück. Sie zeigt verschiedene Stationen dieser Beziehung, die trotz der tiefen Liebe zwischen den beiden und zu ihrem gemeinsamem Sohn an den inneren Konflikten des Schriftstellers zerbricht und die Celan, dem nach Krieg und Holocaust Unbehausten, keine Heimat bieten kann. 2009 arbeitete die Komponistin das 2005 uraufgeführte Werk für das Orchester Jakobsplatz München noch einmal um.

 

Besetzungen

 

Herzland

 

Musikalische Leitung Daniel Grossmann

Inszenierung Miron Hakenbeck

Bühne Mirko Hensch

Kostüme Regine Brandl

Video Manuela Hartel

Licht Thomas Wendt

 

Gisèle Anna Radziejewska

Paul Urban Malmberg

Orchester Orchester am Jakobsplatz

 

Rothschilds Geige

 

Musikalische Leitung Daniel Grossmann

Inszenierung Miron Hakenbeck

Bühne Mirko Hensch

Kostüme Regine Brandl

Video Manuela Hartel

Licht Thomas Wendt

 

Jakow Matwejewitsch Iwanow (genannt Bronze) Sergei Leiferkus

Rothschild George Humphrey

Moissej Iljitsch Schachkes Dean Power

Marfa Heike Grötzinger

Markus Hagenbucher

Fritz Laubscher

Masumi Miura

Maximilian Mühlbauer

Elmar Panzer

Hans Seeberger

Rudolf Steger

Olivier Thomazo

Orchester Orchester am Jakobsplatz

 

Die Entscheidung

 

Inszenierung Miron Hakenbeck

Bühne Mirko Hensch

Kostüme Regine Brandl

Video Manuela Hartel

Licht Thomas Wendt

Sounddesign Felix Leuschner

 

Peter Schok Andreas Christ

Die Autorin Sabine Kastius

Gabriel Markus Schmädicke

Michael Sebastian Schulik

Raphael Marco Montoya

Der Arzt Alexander Keil

 

Eine Koproduktion mit dem Orchester Jakobsplatz München

 

Vorstellungen:

Samstag, 5. Februar 2011

Sonntag, 6. Februar 2011

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 18 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

NICHT AUF DEN LITURGISCHEN BEREICH BESCHRÄNKT --- Bruckners e-Moll-Messe und Motetten bei BR Klassik

Anders als die frühe d-Moll-Messe blieb die 1866 in Linz komponierte e-Moll-Messe nicht auf den liturgischen Bereich beschränkt. Die alten Kirchentonarten stehen bei der Messe in e-Moll von Anton…

Von: ALEXANDER WALTHER

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑